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Problematische Parteispenden Der Flughafen Zürich ist in Erklärungsnot

Die Flughafen Zürich AG hat Zürcher Parteien selektiv Geld gespendet. Wieso dies problematisch ist – und wie die Parteienfinanzierung in der Schweiz geregelt ist.

Der Fall lässt aufhorchen: Die Flughafen Zürich AG hat den Zürcher Kantonalparteien selektiv Gelder gespendet. Dies geht aus einer Recherche des «Tages-Anzeigers» hervor.

Der Flughafen Zürich. Links der Lotsenturm der Skyguide.
Legende: Die Flughafen Zürich AG hat gewisse Parteien finanziell unterstützt. KEYSTONE/Gaetan Bally

Gemäss dem Bericht hat die EVP zunächst 20'000 Franken erhalten, die Gelder dann aber vollumfänglich zurückgezahlt. Auch bei der FDP sind Spenden eingegangen, nicht so bei der linken Ratsseite und der GLP. Offen bleibt die Frage bei der SVP.

Gleichbehandlungsgebot verletzt?

An sich müssen Spenden an Parteien nicht problematisch sein. «Politik wird in der Schweiz über Private finanziert. Das ist nicht nur zulässig, sondern so gewollt», sagt Martin Hilti, Geschäftsführer von Transparency International Schweiz, eine Organisation, die sich gegen Korruption einsetzt.

Und doch liegt der Fall beim Flughafen Zürich etwas anders: Die Aktiengesellschaft liegt zu Teilen in den Händen der Öffentlichkeit. So besitzt der Kanton Zürich etwas mehr als ein Drittel der Aktien, fünf Prozent hält die Stadt Zürich. Zudem fällt die Luftfahrt gemäss Verfassung in den Kompetenzbereich des Bundes.

Wer eine staatliche Aufgabe wahrnimmt und eine öffentliche Aufgabe erfüllt, ist an die Grundrechte gebunden.
Autor: Odile Ammann Rechtsprofessorin

Der Staat – und das ist ein entscheidender Punkt – ist also involviert. Odile Ammann ist Professorin für öffentliches Recht an der Universität Lausanne. Ihr Forschungsgebiet: die Regulierung des Lobbyismus. Sie sagt: «Wer eine staatliche Aufgabe wahrnimmt und eine öffentliche Aufgabe erfüllt, ist an die Grundrechte gebunden.» Das betreffe auch gemischtwirtschaftliche Unternehmen, denen «die Erfüllung öffentlicher Aufgaben übertragen wurde – wie die Flughafen Zürich AG», fährt die Rechtsprofessorin fort.

Das bedeutet in diesem Fall: Die Flughafen Zürich AG ist auch an die verfassungsmässigen Gleichbehandlungspflichten gebunden. Ohne sachlichen Grund dürfte er die Parteien somit nicht ungleich behandeln.

Pistenverlängerungen bald im Kantonsrat

Doch genau dies scheint Flughafen Zürich AG zu tun. So steht in einem entsprechenden Bericht, welcher unter anderem die Parteienfinanzierung thematisiert: «Die Flughafen Zürich AG gewährt kantonalen Parteien im Kanton Zürich einen jährlichen Pauschalbetrag und unterstützt diese in Wahljahren mit Zusatzbeträgen, sofern die Partei im Kantonsrat Fraktionsstärke erreicht und sich zu einer wettbewerbsfähigen Schweizer Luftfahrt und Flughafeninfrastruktur bekennt.»

Die Piste 28 des Flughafens Zürich AG. Ein Flugzeug setzt zur Landung an.
Legende: Die Flughafen Zürich AG will die Piste 28 verlängern. Der Zürcher Kantonsrat wird sich noch dieses Jahr mit diesem Geschäft befassen. KEYSTONE/Michael Buholzer

Oder anders formuliert: Parteien, die sich keiner «nachfrageorientierten Luftfahrtpolitik bekennen», erhalten wohl keine Spenden. Zumindest lässt Flughafensprecherin Bettina Kunz dies offen: «Grundsätzlich können alle Parteien diese Spenden anfragen», sagt sie. Dann zitiert sie den oben erwähnten Bericht der Flughafen Zürich AG, streicht die Fraktionsstärke heraus und fügt hinzu: «Wir unterstützen Parteien, die sich für einen Flughafen Zürich aussprechen, der sich weiterentwickeln kann.» Solche Weiterentwicklungen wären die allfälligen Verlängerungen der Pisten 28 und 32 – ein Geschäft, das noch dieses Jahr im Kantonsrat behandelt wird (siehe Box).

Pistenverlängerungen: Wahrscheinlich entscheidet das Stimmvolk

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Die Zürcher Kantonalpolitik diskutiert derzeit darüber, ob die beiden Pisten 28 und 32 des Flughafens Zürich verlängert werden sollen. Das Geschäft wird heiss diskutiert, der Entscheid des Parlaments ist auf Messers Schneide: Zuletzt hat sich die zuständige Kommission des Kantonsrats mit 8 zu 7 Stimmen für die Verlängerungen der Pisten ausgesprochen.

Die beiden Hauptargumente: Die Befürworterinnen und Befürworter versprechen sich mehr Sicherheit und Pünktlichkeit. Die Flughafen Zürich AG verfolgt dieselbe Stossrichtung. Sie schreibt: «Die geplanten Verlängerungen der Pisten 28 und 32 ermöglichen einen stabileren Betrieb bei allen Wetterlagen und für alle Flugzeugtypen und sorgen für eine Erhöhung der Sicherheitsmargen am Flughafen Zürich.» Immerhin werde der Betrieb seit 1976 «unverändert auf dem heutigen Pistensystem abgewickelt».

Egal, wie die Ausmarchung im Kantonsrat ausgeht: Der Entscheid untersteht dem fakultativen Referendum. Das bedeutet: Kommen genügend Unterschriften zustande, wird das Volk darüber abstimmen. So haben Parteien wie etwa die Grünen und die GLP auch bereits auf das Resultat der Kommission reagiert: Sollte der Kantonsrat den Pistenverlängerungen zustimmen, «werden wir das Referendum ergreifen», schreiben die Grünen.

Rechtsprofessorin Ammann sagt jedoch: «Die politische Ausrichtung der betroffenen Parteien ist meines Erachtens kein Grund, der die Unterstützung einzelner Parteien zu rechtfertigen vermag. Somit erscheint die gewährte, ungleiche finanzielle Unterstützung problematisch.»

Zürich kennt kein Transparenzgesetz

Klar ist auch: Der Kanton Zürich hat wie die meisten anderen Schweizer Kantone kein Gesetz, das Transparenz bei den Finanzierungen von Parteispenden fordert. Über ein solches verfügen einzig Genf, Neuenburg, Freiburg, Tessin und Schwyz. Im Kanton Schaffhausen hat das Stimmvolk zudem die Transparenzinitiative angenommen, doch die Umsetzung harzt.

Ob ein Transparenzgesetz im vorliegenden Fall eine Wirkung gezeigt hätte, kann nur vermutet werden. Martin Hilti von Transparency International Schweiz sagt aber: «Es ist ganz wichtig, dass verbindliche Regeln über die Politikfinanzierung geschaffen werden.»

Transparenzregeln: Bundesweit neue Regeln

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Bislang war wenig bekannt, wie Politikerinnen und Politiker sowie Parteien finanziert werden. Das ändert sich gemäss einer Mitteilung des Bundesamts für Justiz.

Konkret müssen die in der Bundesversammlung vertretenen politischen Parteien jährlich ihre Einnahmen, die erhaltenen monetären und nicht monetären Zuwendungen, sofern deren Wert 15'000 Franken pro Person und Jahr übersteigt, sowie die Beiträge der einzelnen Mandatsträger und -trägerinnen offenlegen. Dabei muss auch transparent gemacht werden, von wem die Zuwendung stammt.

Bei Abstimmungen und Nationalratswahlen müssen die kampagnenführenden Akteurinnen und Akteure, also vor allem Politikerinnen und Politiker , die Finanzierung ihrer Kampagnen vor der Abstimmung oder der Wahl offenlegen, wenn sie für diese Kampagnen mehr als 50'000 Franken budgetiert haben. Nach der Abstimmung oder der Wahl müssen sie die Schlussrechnung offenlegen. Bei Ständeratswahlen gelten die Transparenzregeln nur für Gewählte. Die Kampagnenführenden müssen die Schlussrechnung offenlegen.

Die neuen Regeln für mehr Transparenz bei der Politikfinanzierung gelten erstmals für die Nationalratswahlen 2023.

Auch Bettina Kunz verweist auf die rechtlichen Begebenheiten. Solange es «keine Offenlegungspflicht» gebe, überlasse man die Kommunikation in Sachen Transparenz den Parteien, führt sie aus. Sie sagt aber auch, dass bisher «alle Parteien, die bei uns angefragt haben, Geld erhalten haben». Die Höhe orientiere sich letztlich an der Anzahl Sitze im Parlament. Ob Parteien, die sich beispielsweise gegen die im Kantonsparlament diskutierte Pistenverlängerungen aussprechen, Spenden von der Flughafen Zürich AG erhalten, lässt sie allerdings offen.

Schweiz aktuell, 26.04.2023, 19:00 Uhr

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