Die Hälfte des Dachs ist weg, Fensterscheiben und Gitterstäbe fehlen, eine Ecke des Gebäudes ist zerstört. Ilias Schori steht vor der Abbruch-Baustelle und guckt lange nach oben. «Gut, dass das jetzt wegkommt.»
Die Wärter hier im Polizeigefängnis hätten ihn irgendwann als «Stammgast» bezeichnet, sagt der heute 30-jährige Ilias Schori. Er war bereits mit 13 Jahren zum ersten Mal hier eingesperrt. Es war nur der Beginn einer ganzen Serie. Schori sass immer wieder wegen Einbruchdelikten, illegalem Waffenbesitz oder Drogen.
Nachts schrien die Insassen und schlugen an die Zellentür.
An diese Zeit hat er keine guten Erinnerungen: «Es war schmutzig. Nachts schrien die Insassen und schlugen an die Zellentür. Es war alles verkritzelt. Mit Urin bedeckt. Die Matratze war komplett verdreckt.» Er hätte zwar einen Bettüberzug aus Papier erhalten, «trotzdem habe ich Ausschlag im Gesicht bekommen».
Kritik von vielen Seiten
Fast 28 Jahre stand das Gefängnis auf dem Zürcher Kasernenareal. Der schlichte Name Propog steht für «provisorisches Polizeigefängnis». Es war in den Neunziger Jahren in Windeseile gebaut worden, da nicht zuletzt wegen der vielen Dealer in der offenen Drogenszene am Letten alle Gefängnisse überfüllt waren. Die Bewilligung war zunächst auf fünf Jahre befristet, wurde danach aber wiederholt bis zur Eröffnung des Polizei- und Justizzentrums 2022 verlängert.
Schon kurz nach der Eröffnung 1995 wurde Kritik gegen die Haftbedingungen im Propog laut. Denn schon in den ersten Monaten des Betriebs war der Knast überbelegt. Zudem wurden nicht nur straffällige, sondern auch Ausschaffungshäftlinge eingesperrt. Wiederholt kam es zu Kundgebungen, auf welche die Polizei mit dem Einsatz von Wasserwerfern reagierte.
Noch 2016 schlug die nationale Kommission zur Verhütung von Folter Alarm. Diese stellte fest, dass bereits Kinder im Alter von elf Jahren im Propog Tür an Tür mit Schwerverbrechern eingesperrt waren.
Grünfläche statt Knast
Das Kasernenareal mitten im Stadtzentrum von Zürich wird aktuell etappenweise umgestaltet. Die Fläche, auf der in den vergangenen Jahrzehnten das Propog stand, wird frei gemacht und zur Grünfläche umgewandelt. Angeschlossen an den bestehenden Park, entsteht so ein grosser «Kasernenfreiraum». Die Abbrucharbeiten dauern rund zwei Wochen, danach wird Rasen gepflanzt.
Ex-Insasse Ilias Schori hat das Knastleben hinter sich gelassen. Für das Projekt «Gefangene helfen Jugendlichen» arbeitet er heute mit jungen Leuten, um sie von einer kriminellen Laufbahn abzuhalten. Seine Taten tun ihm heute Leid, er habe seine Strafe zu Recht bekommen. Zu sehen, dass das Propog abgerissen wird, helfe ihm, mit seiner Vergangenheit abzuschliessen: «Diese Zeit ist vorbei.»