Was ist die Ausgangslage? Im Februar war der bisherige stellvertretende Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands, Henrique Schneider, zum neuen Direktor gewählt worden. Er sollte Nachfolger von Hans-Ulrich Bigler werden, der auf Ende Juni zurücktritt.
Kurz nach seiner Wahl wurden in der «NZZ am Sonntag» jedoch Plagiatsvorwürfe gegen Schneider laut. Der Vorstand hat daraufhin ein externes Gutachten in Auftrag gegeben. Dieser ist inzwischen zum Schluss gekommen, dass der Vorwurf des Plagiierens berechtigt sei. Am 9. Juni hat der Vorstand des Gewerbeverbands die Wahl von Henrique Schneider daher widerrufen.
Was wird entschieden? Nun kommt am Mittwoch das Parlament des Gewerbeverbands, die Gewerbekammer, zu einer ausserordentlichen Sitzung zusammen. Die hundert Mitglieder der Gewerbekammer sollen über einen Antrag abstimmen, der den Entscheid des Vorstands, Henrique Schneider abzuberufen, wieder kippen soll.
Der Vorstand ist richtig vorgegangen. Es geht auch um die Glaubwürdigkeit des Verbands.
Der Antrag, über den zuerst die «Aargauer Zeitung» berichtet hatte, verlangt, dass der bisherige Direktor des Gewerbeverbands noch mindestens sechs Monate länger im Amt bleibt. Dann sollen die Gutachten und die Kommunikation rund um den Fall Schneider nochmals aufgearbeitet werden. Schliesslich soll der Amtsantritt des «gewählten Direktors, Henrique Schneider» verschoben werden, bis Hans-Ulrich Bigler abtritt.
Weshalb spricht man von einem Machtkampf? Der Schweizerische Gewerbeverband ist rechtsbürgerlich dominiert. Der bisherige Direktor Hans-Ulrich Bigler hat sich politisch stets entsprechend positioniert, er wechselte zudem im Jahr 2022 von der FDP zur SVP. Henrique Schneider ist zwar in keiner Partei, jedoch kann davon ausgegangen werden, dass er den rechtsbürgerlichen Kurs des Gewerbeverbands weiterführt.
Die Medien haben die Vorwürfe gegen Henrique Schneider hochgespielt.
Der Präsident des Gewerbeverbands hingegen, Fabio Regazzi, ist Mitte-Nationalrat. Er war es, der zusammen mit dem Vorstand die Wahl von Henrique Schneider widerrufen hatte. Unterstützung für den Entscheid erhält er von Mitte-Nationalrat Nicolò Paganini, der zu SRF sagt: «Der Vorstand ist richtig vorgegangen. Es geht auch um die Glaubwürdigkeit des Verbands.»
Wie argumentieren die Unterstützer von Henrique Schneider? Henrique Schneider habe schon als stellvertretender Direktor des Gewerbeverbands gute Arbeit geleistet und sich für den Verband eingesetzt, sagt etwa der SVP-Nationalrat Thomas Hurter zu SRF: «Die Medien haben die Vorwürfe gegen Henrique Schneider hochgespielt.» Es müsse nun eine gute Lösung für den Gewerbeverband gefunden werden.
Welche Auswirkungen hat der Machtkampf? Der Schweizerische Gewerbeverband kommt wohl nicht um einen Imageschaden herum. Kann sich der Vorstand durchsetzen, gesteht sich der Verband ein, mit der gefundenen Nachfolgelösung gescheitert zu sein. Die Suche nach einer Nachfolgerin oder einem Nachfolger von Hans-Ulrich Bigler geht von vorne los. Sollte aber Henrique Schneider trotz Plagiatsvorwürfen Direktor werden, dürfte das genauso wenig förderlich sein fürs Image des Gewerbeverbands.