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Rahmenabkommen mit der EU Ständerat sieht mehr Klärungsbedarf als der Bundesrat

  • Der Ständerat hat darüber debattiert, welche Nachbesserungen das Rahmenabkommen mit der EU brauche.
  • Er entschied über eine Kommissionsmotion bevor der Bundesrat letzten Freitag seine Stellungnahme veröffentlicht hat.
  • Die Motion wurde mit 21 zu 14 Stimmen und 6 Enthaltungen überwiesen.

Durch Annahme der Motion, welche die aussenpolitische Kommission des Rates verabschiedet hat, wird der Bundesrat verpflichtet, sich auch mit zwei Punkten auseinanderzusetzen, bei denen er selbst keinen Klärungsbedarf sieht. Es sind dies die Punkte Streitbeilegung und die Anschlussgesetzgebung.

Der Bundesrat am Ball

Dass die Motion eingereicht worden war, bevor der Bundesrat sich positioniert hatte, und dass bereits eine schriftliche Antwort von EU- Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker vorliegt, führte im Rat zur Diskussion darüber, ob es überhaupt noch nötig sei, über die Motion zu diskutieren.

Der Vertreter der Kommissionsminderheit, Ruedi Noser (FDP) war der Meinung, dass man mit Annahme der Motion dem Bundesrat in den Rücken falle. Noch drastischer drückte es Daniel Jositsch (SP/ZH) aus: Man solle nun nicht «dem Bundesrat quer in die Beine schiessen». Jetzt sei der Bundesrat am Ball und solle am Ball bleiben.

Bundesrat Ignazio Cassis hielt am Ende der Diskussion fest, dass der Bundesrat die Motion zur Ablehnung empfehle. «Die ersten drei Punkte sind deckungsgleich mit dem, was der Bundesrat am Freitag gesagt hat.» Die zwei letzten Punkte allerdings sähe die Regierung anders und lehne die Motion auch aus formellen Gründen ab.

Die Kommissionsmotion im Wortlaut:

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«Der Bundesrat wird beauftragt, mit der EU Zusatzverhandlungen zu führen oder andere geeignete Massnahmen zu ergreifen, um das Institutionelle Abkommen mit der EU wie folgt zu verbessern:

  • Lohnschutz: Der Lohnschutz muss auf dem heutigen Stand sichergestellt und nach Bedarf weiterentwickelt werden können. Die Sozialpartner sind in die geforderten Nachbesserungen einzubeziehen.
  • Unionsbürgerrichtlinie: Diese ist für die Schweiz nicht tragbar und muss explizit ausgeschlossen werden. Auch über im Europäischen Gerichtshof (EuGH) geführte Einzelprozesse darf diese nicht auf indirektem Weg für die Schweiz übernommen werden.
  • Staatliche Beihilfen: Es ist sicher zu stellen, dass die heutigen in der Schweiz bekannten Beihilfen nicht ausgeschlossen werden und der nötige Spielraum auch für die Zukunft erhalten bleibt.
  • Anschlussgesetzgebung: Es ist sicherzustellen, dass die Schweizer Stimmberechtigten trotz dynamischer Rechtsübernahme weiterhin das letzte Wort haben. Entweder ist dies im Institutionellen Abkommen oder durch eine nationale Anschlussgesetzgebung sicher zu stellen.
  • Streitbeilegung: Es ist klar abzugrenzen, welche Tatbestände des geltenden und künftigen EU-Rechts zu einer Konsultation des EuGHs durch das Schiedsgericht führen. Schweizer Gerichtsurteile dürfen nicht indirekt durch den EuGH aufgehoben werden können. Es ist eine periodische Berichterstattung über hängige Streitigkeiten und deren Beilegung vorzusehen.»

Nebenschauplätze?

Die Bezeichnung Zusatzverhandlungen im Titel der Motion sei irreführend und unlauter, sagte Thomas Minder (SVP-Fraktion/SH). Denn was zusätzlich noch geklärt werden solle, seien «Mammutdifferenzen und somit politische Differenzen, welche man sicherlich nicht einfach in einem Anhang aus dem Weg schaffen kann». Minder forderte deshalb ein neues Verhandlungsmandat.

Peter Föhn (SVP/SZ) hielt fest, dass gerade in Sachen Streitbeilegung die Schweiz sehr schlecht wegkomme. «Damit brocken wir unseren Kindern etwas ein», sagte er. Die Schweiz wolle nicht nur ein Partner sein, sondern ein gleichberechtigter Partner. Die Motion wolle dem Bundesrat übrigens den Rücken stärken, nicht das Gegenteil.

Kleines Glossar:

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Anschlussgesetzgebung: Der Begriff sei ungünstig gewählt, er erinnere an die Anschlussgesetzgebung des Dritten Reiches 1938, sagt Andrea Caroni (FDP/AR). «So ist das nicht gemeint», hält Pirmin Bischoff (CVP/SO) fest. «Es geht nicht darum, dass sich die Schweiz der EU anschliesst, sondern dass die Schweiz die weitere Gesetzgebung der EU übernehmen soll.»

Insta: Die Abkürzung Insta meint im schweizerisch-parlamentarischen Zusammenhang nicht etwa das Onlineportal Instagram, sondern den Vorschlag des institutionellen Rahmenabkommens, das der Bundesrat ausgehandelt hat.

Für Philipp Müller (FDP/AG) kam die Motion schlicht und einfach zu spät. Und abgesehen davon seien Verhandlungen halt kein Wunschkonzert: «Verhandlungen sind ein Geben und Nehmen», und der politische Preis für die Schweiz für die bilateralen Verträge, werde höher als früher. Müller verglich die Schweiz mit den Galliern zur Römerzeit in den Asterix-Comics: «Wir haben keinen Zaubertrank, um Römer zu verklopfen oder allenfalls Brüsseler.»

Die Motion geht nun an den Nationalrat. Dort wird nächste Woche eine ähnlich lautende Motion diskutiert.

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