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Rassistische Polizeikontrolle EGMR verurteilt Schweiz wegen Fall von Racial Profiling

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat in einem wegweisenden Urteil gegen die Schweiz entschieden, dass die Kontrolle eines Schwarzen Mannes diskriminierend war. Das Urteil hat Relevanz über die Schweizer Landesgrenzen hinaus. SRF-Gerichtskorrespondentin Sibilla Bondolfi ordnet ein.

Sibilla Bondolfi

Gerichtskorrespondentin

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Sibilla Bondolfi ist seit 2023 Gerichtskorrespondentin von Radio SRF. Davor hat sie für den zehnsprachigen Online-Dienst Swissinfo gearbeitet. Sie ist promovierte Juristin im Bereich Verfassungsrecht und Menschenrechte.

Was ist Racial Profiling?

Wenn die Polizei eine Person einzig aufgrund ihrer Hautfarbe oder ihres ausländischen Aussehens kontrolliert, ohne einen anderen Grund oder konkreten Verdacht zu haben, nennt man dies Racial Profiling oder ethnisches Profiling.

Worum ging es im konkreten Fall?

Ein Schwarzer Schweizer pendelte im Februar 2015 zur Arbeit. Am Hauptbahnhof Zürich sah er Polizisten und wandte den Blick ab. Ein Polizist schöpfte daraufhin den Verdacht, der Mann könnte gegen das Ausländergesetz verstossen – und kontrollierte ihn. Der Betroffene weigerte sich, seinen Ausweis zu zeigen, weil ihm die Polizisten keine Gründe für die Kontrolle nannten und er sie deshalb als rassistisch empfand. Per Strafbefehl wurde er wegen Nichtbefolgens einer polizeilichen Anordnung zu einer Busse verurteilt. Dagegen wehrte sich der Mann bis vor den EGMR.

Was hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden?

Die Richterinnen und Richter waren einstimmig der Meinung, dass die Kontrolle diskriminierend war und dass dies die Gerichte bei der Überprüfung der Busse hätten berücksichtigen müssen. Das Gericht sei sich bewusst, dass die Situation für den Polizisten schwierig war, schreibt es: Er habe schnell entscheiden müssen und dies ohne klare gesetzliche Leitlinien.

Warum braucht es laut EGMR neue Gesetze zu Racial Profiling?

Das Gericht zeigt deshalb mit dem Finger vor allem auch auf den Gesetzgeber: Die fehlenden gesetzlichen Vorschriften zu Racial Profiling könnten zu diskriminierenden Identitätskontrollen führen, so das Gericht. Damit folgt es der Argumentation von Nichtregierungsorganisationen, wonach die Schweiz die Gesetze überarbeiten müsse, um sicherzustellen, dass Personenkontrollen nur bei begründetem Tatverdacht erlaubt seien, ohne dass ethnische Kriterien eine Rolle spielen.

Warum ist dieses Urteil besonders wichtig?

Der EGMR hat den Fall als «Impact Case» eingestuft, also als einen Fall von besonderer Bedeutung für die Entwicklung des Menschenrechtsschutzes. Er wollte ihn zum Anlass nehmen, um einige grundsätzliche Fragen für alle Mitgliedsstaaten zu beantworten. Schliesslich ist Racial Profiling in vielen Ländern ein Problem. Das war auch die Motivation des Beschwerdeführers und der ihn unterstützenden NGOs: mit einem Musterfall Klarheit für alle zu schaffen.

SRF 4 News, 20.02.2024, 11 Uhr ; 

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