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Rassistische Vorfälle «Wollen wir im Jahr 2020 noch solche Slogans und Stereotypen?»

«Wie viele Neger brauchen wir in St. Gallen?» stand gross auf

einem Fasnachtswagen, der am Fasnachtsumzug im sankt-gallischen Wangs mitfahren sollte. In letzter Minute wurde das Wort Neger überklebt. Hinter der Aktion mit dem umstrittenen Fasnachtswagen steht ein ehemaliges Parteimitglied der SVP. Der Mann bestreitet laut «Blick» rassistische Absichten und sagte, für ihn sei das Wort «Neger» ein Synonym für einen Kantonsrat, der Mist baue.

Zu reden gibt auch ein Vorfall an der Basler Fasnacht. Wie die «Basellandschaftliche Zeitung» heute schreibt, hätten Mitglieder der Guggenmusik Gülle Schlüch auf einer Pauke und auf Kleidern Neonazisymbole verwendet. Und auf einem Video, das der «Basellandschaftlichen Zeitung» vorliegt, sieht man, wie ein Trompeter während eines Auftritts im Guggenkeller den Arm zum Hitlergruss hebt. Rassismus-Experte Dominic Pugatsch über zunehmende Entgleisungen an der Fasnacht.

Dominic Pugatsch

Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus

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Dominic Pugatsch hat an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Luzern studiert und dort im Bereich des Verwaltungsrechts promoviert. Bereits während seines Studiums und später bei der Ausarbeitung seiner Dissertation, konnte er als Assistent für Verwaltungs- und Öffentliches Recht sowie als juristischer Mitarbeiter in einer Direktion des Kantons Zürich Erfahrungen an der Schnittstelle zwischen Recht und Politik sammeln. Bis Ende 2015 war Dominic Pugatsch während drei Jahren in einer Anwaltskanzlei tätig. Heute leitet er die Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus.

SRF News: Was halten Sie vom Slogan «Wie viele Neger brauchen wir in St. Gallen?»

Dominic Pugatsch: Wir sehen, dass solche Vorfälle jedes Jahr wieder vorkommen. Das ist unnötig und geht auf Kosten einer sehr reichen Kultur, nämlich auf Kosten der Fasnachtskultur.

Was geht in den Köpfen der Täter vor?

Was in den Köpfern der Täter vorgeht – ob der Rassismus vorsätzlich oder fahrlässig war – ist zweitrangig. Das Entscheidende ist jeweils die Wirkung, die bei den Angehörigen von Minderheiten erzeugt wird, aber auch bei anderen Mitmenschen. Es geht auch um die Vorbildfunktion für die jungen Menschen, die an diesen schönen Fasnachtsumzügen teilnehmen. Wir müssen uns fragen, ob wir im Jahre 2020 noch solche Stereotypen und Slogans sehen wollen.

Von der Tradition her kommt die Fassnacht aus der Narrenzeit, in welcher die Untertanen über die Obrigkeit für einmal alles sagen durften. Gibt es Grenzen an der Fasnacht?

Es gibt viele wunderbare Schwänke, bei welchen die Tradition gewahrt wird. Die besprochenen Fälle aber sind rassistische Vorfälle. Die Mehrheitsgesellschaft lacht über die Minderheitsgesellschaft. Das ist klassisches «Othering», das ist Rassismus.

Was sollte man denn beachten bei der Kostümierung heutzutage?

Den respektvollen und würdevollen Umgang mit seinen Mitmenschen sollte man zwingend beachten.

Beim Beispiel mit dem Ku-Klux-Klan und auch im aktuellen Fall stehen ganz klar rechtsgerichtete und extremistische Personen dahinter.

Wie stelle ich eine Person oder eine Kultur dar? Wenn das respektvoll geschieht, gibt es auch keine Probleme. Wenn es aber plump und herabwürdigend ist, wird es problematisch.

Sind wir uns der Problematik bewusster als früher?

Nicht zuletzt dank den Medien, die diese Debatten aufgreifen, entsteht eine Diskussion. Wir wollen wissen, wo die Grenze liegt. Ausserdem möchten wir nicht, dass eine Kultur wie die Fasnachtszeit für solche Machenschaften missbraucht wird. Beim Beispiel mit dem Ku-Klux-Klan und auch im aktuellen Fall stehen ganz klar rechtsgerichtete und extremistische Personen dahinter.

Das Gespräch führte Ivana Pribakovic.

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