Die Schweiz zählt mit einer der weltweit höchsten Recyclingquoten zu den Vorreitern in diesem Bereich. Fast 95 Prozent des Glases werden hierzulande gesammelt – das entspricht jährlich mehr als 40 Kilogramm pro Einwohner. Allerdings werden 90 Prozent der Glasflaschen nur einmal verwendet, bevor sie entsorgt werden.
Die lange Reise des Schweizer Glases
Bis vergangenes Jahr wurde immerhin noch ein Drittel des gesammelten Schweizer Altglases im Inland recycelt, im Vetropack-Werk in St-Prex VD. Mehr als die Hälfte des gesamten gesammelten Glases wurde jedoch bereits für das Recycling nach Europa exportiert. Mit der Schliessung der letzten Schweizer Glasfabrik im Juni 2024 steigt die Transportquote auf 80 Prozent.
Wohin geht das Schweizer Glas?
Heute verlassen jährlich über 288'000 Tonnen Glas die Schweiz – eine Menge, die mehr als 11'000 Lastwagen füllen würde. Doch wohin genau geht die Reise? Um dies zu klären, hat Westschweizer Radio und Fernsehen RTS nachgeforscht. Zu diesem Zweck wurden mit Tracker ausgestattete Gläser in Sammelstellen in verschiedenen Regionen der Schweiz deponiert.
Lange Transportwege
Das Glas legt teilweise weite Strecken zurück. Zielländer sind Italien, Deutschland, Österreich und sogar die Tschechische Republik. Tschechien stellt mit 650 Kilometern Luftlinie das am weitesten entfernte Ziel dar. Es ist jedoch auch das einzige, das direkt an das Schienennetz angebunden ist. Bei allen anderen Zielen hingegen werden die markierten Gläser auf einem Teil oder sogar der gesamten Strecke per Lastwagen auf der Strasse transportiert.
Die ökologischen Auswirkungen
Martina Rapp, Expertin für Kreislaufwirtschaft bei der Stiftung Durabilitas, bedauert diese Entwicklung: «Es ist bedauerlich, dass Flaschen trotz sorgfältiger Trennung durch Schweizer Konsumenten nun so weite Wege ins Ausland zurücklegen müssen.» Dort werden die Glasscherben sortiert und zu Scherben aufbereitet, bevor sie zu neuen Flaschen eingeschmolzen werden.
Zwar reduziert das Einschmelzen bei niedrigeren Temperaturen Energieverbrauch und CO₂-Ausstoss, doch die Transportemissionen bleiben problematisch. Hinzu kommt: Die recycelten Verpackungen werden später wieder in die Schweiz importiert.
Wiederverwendung als Alternative
Was, wenn die Lösung darin läge, Verpackungen wiederzuverwenden statt zu recyceln? Laut einer 2020 veröffentlichten Studie der europäischen NGO Zero Waste Europe und Reloop verursachen Mehrweg-Glasflaschen 85 Prozent weniger CO₂-Emissionen als Einwegflaschen.
Bereits etabliert sind regionale Projekte wie «J’la ramène» (Genf) und «Ça vaud l’retour» (Waadt) mit Pfandsystemen für Glasverpackungen.
Politische Initiativen
Um alle Akteure zusammenzubringen, die sich für die Wiederverwendung von Verpackungen engagieren, wird Anfang September in Biel ein Dachverband gegründet. Auf Bundesebene wird die Verordnung über Getränkeverpackungen (VGV) durch eine überarbeitete und korrigierte Fassung ersetzt. Sie wird für alle Verpackungen gelten und nicht mehr nur für Getränkeverpackungen, die nur ein Viertel der Verpackungen in der Schweiz ausmachen. Derzeit befindet sie sich in der Vernehmlassung.