Wer in Untersuchungshaft sitzt, ist (noch) nicht verurteilt – folglich gilt für diese Person die Unschuldsvermutung. Trotzdem galt in den Zürcher Untersuchungsgefängnissen lange ein sehr strenges Regime: Die Zellen waren 23 Stunden am Tag geschlossen, duschen durften die Häftlinge nur selten. Dafür gab es immer wieder Kritik an die Adresse der Zürcher Justizdirektion.
Im Zuge dessen wurden die Bedingungen in den letzten Jahren gelockert, angeregt 2015 durch einen Auftrag der Regierungsrätin Jacqueline Fehr. Am Montag nun stellten die Verantwortlichen im Untersuchungsgefängnis Pfäffikon nun die Reformergebnisse vor.
Das harte Regime ist Geschichte
Der Kanton Zürich hat sich in den letzten Jahren von seinem harten Regime bei der Untersuchungshaft verabschiedet. Die Zellentüren sind tagsüber geöffnet und die Untersuchungshäftlinge dürfen sich jeden Tag bis zu acht Stunden ausserhalb der Zelle bewegen.
So können die Insassen ihre Zeit hinter Gittern kreativ nutzen, sich weiterbilden oder soziale Kontakte pflegen. Besuche sind neu auch an Wochenenden oder am Abend erlaubt. Und wenn die eigenen Kinder zu Besuch ins Untersuchungsgefängnis kommen, kann die Zeit gemeinsam in Besuchszimmern verbracht werden.
Neu sind auch die Arbeitsmöglichkeiten in einem Werkzimmer. Hier dürfen Inhaftierte auch rauchen – im Gegensatz zu den Zellen. Die Zigaretten hierfür – wie auch andere Snacks – können einmal pro Woche am gefängniseigenen Kiosk gekauft werden.
Für die Justizdirektorin Jacqueline Fehr hat der Kanton Zürich in den letzten Jahren grosse Fortschritte gemacht: Zum einen könne der Zweck der Strafuntersuchung sichergestellt werden, andererseits könnten die Ressourcen der Inhaftierten geschont und gestärkt werden. Auf diese Weise könne bereits von Beginn weg auf die Wiedereingliederung hingearbeitet werden, so Fehr gegenüber SRF.
Jedoch bleibe ein grosses Thema im Justizvollzug: die Individualisierung. Man wolle sich in den nächsten Jahren noch stärker auf die einzelnen Inhaftierten ausrichten, auf ihre Ressourcen, ihre Geschichten, ihre Zukunft. Damit wolle man die Wiedereingliederung noch besser unterstützen. Zudem seien in einem Untersuchungsgefängnis naturgemäss viele verschiedene Menschen mit unterschiedlichen, mutmasslichen Delikten inhaftiert.
«Die Stimmung ist besser»
Seit den angewandten Reformen sei die Stimmung unter den Insassen tatsächlich besser, sagt Roland Zurkirchen, Direktor der Zürcher Untersuchungsgefängnisse. Und auch Strafverteidiger Gregor Münch, der die Untersuchungshaft im Kanton Zürich lange kritisiert hat, anerkennt: Mit diesem neuen Vollzug habe sich vieles verbessert. «Man ist jetzt in einem Stadium, in dem ein solcher Freiheitsentzug wieder menschenwürdiger ist», sagt Münch.
Jedoch gebe es noch einiges zu verbessern, denn auch mit diesen Verbesserungen habe die U-Haft noch einen Strafcharakter, obwohl die betroffenen Personen noch nicht verurteilt seien. Auch der Kanton Zürich sieht weiterhin Handlungsbedarf, etwa bei der Infrastruktur in anderen Gefängnissen als in Pfäffikon. So stehe in den nächsten Jahren beispielsweise die Inbetriebnahme des Neubaus des Gefängnisses Winterthur oder der Ersatzneubau des Gefängnisses Zürich an.