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Reform der zweiten Säule Nationalrat: Tiefere Rente der Pensionskasse, weniger Zuschläge

  • Der Nationalrat hat als Erstrat das Kernelement des Sozialpartner-Kompromisses aus der BVG-Reform herausgebrochen.
  • Er will zur Kompensation der Senkung des Umwandlungssatzes in der 2. Säule lediglich 15 Jahrgängen einen Rentenzuschlag auszahlen.
  • Der Kompromiss der Sozialpartner hatte vorgesehen, allen Neurentnerinnen und Neurentnern einen Zuschlag zu zahlen.

In der Gesamtabstimmung hiess der Nationalrat als Erstrat die BVG-Reform mit 126 zu 66 Stimmen bei einer Enthaltung gut. Dagegen stimmten die Fraktionen der Grünen und der SP, die sich erfolglos für den Kompromiss der Sozialpartner einsetzten. Auch der Bundesrat trat für diese Lösung ein. Die Vorlage geht nun in den Ständerat.

Der Sozialpartner-Kompromiss vom Sommer 2019 sieht einerseits die Senkung des Umwandlungssatzes von heute 6.8 auf künftig 6 Prozent vor. Das heisst, dass pro 100’000 Franken Alterskapital jährlich 6000 statt 6800 Franken Rente ausbezahlt werden. Diese Kröte schlucken die Gewerkschaften nur, weil die Arbeitgeber gleichzeitig Zuschläge für alle Neurentner versprachen, um die tieferen Renten auszugleichen.

Hier entschied die grosse Kammer jetzt, dass die ersten fünf Jahrgänge maximal 2400 Franken Kompensation pro Jahr erhalten sollen, die zweiten fünf Jahrgänge maximal 1800 Franken und die letzten fünf Jahrgänge noch 1200 Franken. Damit würden nur 35 bis 40 Prozent der Rentnerinnen und Rentner in dieser Altersspanne profitieren, nicht alle.

Referendum bereits angedroht

Die Gewerkschaften haben bereits mit dem Referendum gedroht, sollte der zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ausgehandelte Kompromiss im Parlament scheitern. Beobachter gehen davon aus, dass der Ständerat deshalb wohl die Rentenzuschläge etwas ausbaut, um die Chancen der Reform an der Urne zu erhöhen.

Das Modell mit der Kompensation für alle bringe eine schnelle Verbesserung der Situation für alle, sagte der Nationalrat und Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB), Pierre-Yves Maillard (SP/VD). Das Modell der Kommissionsmehrheit dagegen habe «massivste Rentenverluste für viele» zur Folge, sekundierte Barbara Gysi (SP/ZH).

Unerwünschte Umverteilung

Der Kompromiss der Sozialpartner ist umstritten, weil er die im Prinzip in der zweiten Säule nicht gewünschte Umverteilung der Mittel von den Erwerbstätigen zu den Rentnern quasi auf längere Zeit zementieren würde. Die bürgerliche Mehrheit im Rat zielt mit ihrem Vorschlag deshalb darauf ab, die Umverteilung in Milliardenhöhe zumindest zu begrenzen.

Thomas Rechsteiner (Mitte/AI) zeigte sich überzeugt, dass diese Vorlage am Schluss auch vor der Stimmbevölkerung bestehen werde. Der beschlossene Mechanismus für die 15 Jahrgänge der Übergangsgeneration sei nachvollziehbar.

Berset: «Einziges tragfähiges Modell»

Für Gesundheitsminister Alain Berset ist der Sozialpartner-Kompromiss indes das «einzige tragfähige Modell», weil sich hier Kreise mit unterschiedlichen Interessen zusammengerauft hätten. Der Unterschied zwischen diesem Modell und jenem der siegreichen Kommissionsmehrheit sei «immens».

Dem widersprach Albert Rösti (SVP/BE). Die Kommission sei dem Bundesrat entgegengekommen. So habe sie dessen Kompensationsbeiträge eingesetzt für die Übergangsgeneration. Die Kommission sei einfach gegen Giesskannenprinzip und Fristlosigkeit. So profitierten nur jene, die effektiv einen Rentenverlust erlitten. «Am Schluss hat niemand eine tiefere Rente.»

Die BVG-Entscheide des Nationalrats im Detail

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Umwandlungssatz: Dieser soll von 6.8 auf 6 Prozent sinken. Pro 100'000 Franken angespartem Alterskapital gäbe es also noch 6000 Franken Rente pro Jahr.

Kompensation: 15 Jahrgänge sollen nach Einführung der Revision für ihre Verluste durch die Kürzung des Umwandlungssatzes entschädigt werden. Sie sollen jeweils auf fünf Jahre abgestuft 2400, 1800 respektive 1200 Franken pro Jahr erhalten. Der Sozialpartner-Kompromiss will einen Rentenzuschlag für alle.

Eintrittsschwelle: Bereits ab einem Jahreslohn von 12'548 Franken pro Arbeitgeber sollen Arbeitnehmende neu obligatorisch versichert sein. Im Moment liegt diese Schwelle bei 21'510 Franken.

Koordinationsabzug: Der Nationalrat hat ihn halbiert, von 25'095 auf 12'443 Franken. Neu soll die Versicherungsspanne zwischen 12'443 und 85'320 Franken Jahreseinkommen liegen, statt zwischen 25'095 und 86'040 Franken.

Sparalter: Das Eintrittsalter in die zweite Säule soll von 25 auf 20 Jahre sinken. Das Ansparen in die Pensionskasse soll also fünf Jahre früher als bisher beginnen.

Lohnabzüge: Neu soll es nur noch zwei statt wie bisher vier Kategorien geben. 20- bis 44-jährigen Arbeitnehmenden sollen Sparbeiträge von insgesamt neun Prozent vom Gehalt abgezogen werden. Vom 45. Altersjahr bis zur Pensionierung sollen es neu 14 Prozent sein.

Finanzierung: Pensionskassen sollen die Zuschläge aus ihren Rückstellungen mitzahlen. Genügt das nicht, soll der Sicherheitsfonds ab dem Inkrafttreten der Änderung während 15 Jahren Beiträge von 0.15 Prozent der versicherten Löhne bei den Vorsorgeeinrichtungen erheben.

Erwerbsunterbruch: Bei Erwerbsunterbruch sollen sich neu auch unter 58-jährige Arbeitnehmende ohne Unterbruch zu 100 Prozent weiterversichern können. Die Altersgrenze soll aufgehoben werden.

(awp)

SRF 4 News, 08.12.2021, 12:00 Uhr ; 

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