Zum Inhalt springen

Reformierte Kirche Zürich Zürcher Kirchen könnten bald auch anderen Religionen offenstehen

Die reformierte Kirche überdenkt ihre Immobilien-Strategie. Bald könnten auch Muslime und Juden ihre Räume nutzen.

Die reformierte Kirche leidet unter einem anhaltenden Mitgliederschwund. Die Statistik des Kantons Zürich zeigt, dass sie in den letzten zehn Jahren jährlich rund 6600 Mitglieder verloren hat. Gleichzeitig besitzt die Kirche zahlreiche Immobilien, die von immer weniger Mitgliedern besucht werden. Allein der evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Zürich gehören 43 Kirchen, 35 Kirchgemeindehäuser und über 300 Wohnungen. Gesamtwert: rund 1.2 Milliarden Franken.

Viel Platz und immer weniger Mitglieder: Das ist einer der Gründe, weswegen die reformierte Kirche in der Stadt Zürich aktuell den Umgang mit ihren Immobilien neu definieren will. Vorgesehen ist unter anderem, dass ihre Räume in Zukunft auch anderen Religionsgemeinschaften zur Verfügung gestellt werden. So sollen etwa Muslime oder Jüdinnen die Räume der reformierten Kirche benutzen dürfen. Auch die Entwicklung von gemeinsamen Sakralbauten ist dabei Thema.

Zukunft wird interreligiöser

Klar ist: Die Basis der reformierten Kirche ist gespalten, was diese neue Immobiliennutzung angeht. Eine Umfrage unter 500 Mitgliedern zeigt, dass rund ein Viertel der Befragten die neue Regel ablehnt. Vor allem für Menschen über 75 Jahre, die die Kirche regelmässig besuchen, ist es nicht denkbar, dass auch andere Religionsgemeinschaften ihre Gebete in christlichen Räumen sprechen. Wie die Kirchenzeitung «reformiert» berichtet, hätten jüngere Mitglieder keine Probleme damit.

Ein Mann muslimischen Glaubens kniet nieder und betet zu Gott.
Legende: Muslimische Glaubensgemeinschaften in den Zürcher Agglomerationsgemeinden klagen über Platzmangel. Hier könnte die reformierte Kirche Hand bieten. Keystone

Das Ergebnis erstaunt Michael Hauser nicht. Er arbeitet als Kirchenpfleger in der Kirchgemeinde Zürich und kümmert sich auch um die künftige Nutzung der Immobilien. Er sagt: «Wenn die Exklusivität verloren geht, haben manche Mitglieder Angst, dass ihnen die Kirche nicht mehr zur Verfügung steht, wenn sie sie dringend nötig haben.» Diesen Bedenken müsse man Sorge tragen, so Hauser.

Eine interreligiöse, gemeinschaftliche Nutzung der Kirchenräume sei in Zürich grundsätzlich aber ein Bedürfnis, sagt Grossmünster-Pfarrer Christoph Sigrist. Als Präsident des Forums der Religionen wisse er etwa von Platzmangel in Moscheen. So seien zahlreiche Moscheen in den Zürcher Agglomerationsgemeinden beim letzten Bayram-Fest am Ende des Fastenmonats Ramadan überfüllt gewesen. «In Zukunft werden wir also über diese Frage diskutieren dürfen», so Sigrist.

Portrait von Christoph Sigrist, Pfarrer des Zürcher Grossmünsters
Legende: Das Bedürfnis nach interreligiösen Räumen wird in den nächsten Jahren zunehmen, ist Grossmünster-Pfarrer Christoph Sigrist überzeugt. Keystone

Der christliche Glaube verstehe das Bedürfnis der Religionsgemeinschaften nach einem Raum, wo alle zusammen öffentlich beten könnten, sagt Sigrist weiter. «Wir haben das ja auch schon erlebt, als sich vier Tage nach dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs alle Religionen im Grossmünster versammelten und zusammen gebetet haben.» Da habe es auch keine Rolle gespielt, ob jemand Atheist, Buddhist oder Muslimin war, sondern «es war eine Weltgemeinschaft.»

Es kann schon nächstes Jahr so weit sein

Bedürfnis und Bereitschaft sind gegeben. Ob dereinst verschiedene Religionen in reformierten Kirchen in Zürich ein und aus gehen, ist jedoch noch nicht beschlossene Sache. Die neue Immobilienstrategie geht nun ins Parlament der Kirchgemeinde. Stimmt sie zu, kann das neue Leitbild auf das Jahr 2023 in Kraft gesetzt werden.

SRF 1, Regionaljournal Zürich Schaffhausen, 27.05.22, 17:30 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel