Der Sunnepark Egerkingen gehört zur Genossenschaft Alterszentren Gäu (GAG) im Kanton Solothurn, die an mehreren Standorten Alters- und Pflegeheime betreibt. Die Zuständigen machen den Bewohnenden und ihren Angehörigen beim Eintritt ins Heim klar: Wer hier einen Herzstillstand erleidet, wird nicht reanimiert. Nicht aus bösem Willen, sondern weil die Einschränkungen nach einer Reanimation meist zu gross seien.
Wenn eine Bewohnerin oder ein Bewohner einen Herzstillstand hat, gibt es keine Herzmassage und der Defibrillator kommt nicht zum Einsatz. «Das war von Anfang an klar», sagt Iris Dättwyler. Ihr Mann ist auf der Demenzabteilung im Alterszentrum der GAG in Balsthal. Sie selber wohnt seit einem Jahr im Sunnepark in Egerkingen.
Wie schaut es rechtlich aus?
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Gemäss
Artikel 10 der Bundesverfassung
hat jeder Mensch das Recht auf Leben, ebenso wie auf persönliche Freiheit und insbesondere auf körperliche und geistige Unversehrtheit. Wurde der Entscheid über eine dringende medizinische Massnahme in früheren Zeiten oftmals dem Arzt zugeschoben, hat mittlerweile das Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Person eine zentrale Bedeutung erlangt, schreibt der
Branchenverband Curaviva
.
Der Verband rät in seiner Auslegeordnung folgendes: «Jedes Heim sollte grundsätzliche Überlegungen anstellen, welche Haltung es zur Reanimation einnimmt. Diesbezüglich ist nicht nur die Philosophie der Institution massgeblich, sondern insbesondere auch die konkrete personelle Situation. (...) Für den Fall, dass die Durchführung von Reanimationsmassnahmen durch das hausinterne Personal abgelehnt wird, ist ein künftiger Heimbewohner darüber in Kenntnis zu setzen.»
Hilfreich sei es dabei, das konkrete Vorgehen bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand zu skizzieren, also dass die Ambulanz kommt und ein Patient ins Akutspital gebracht wird. Bis die Ambulanz kommt, würde das Pflegepersonal Ersthilfe-Massnahmen anwenden.
«Das war unsere eigene Entscheidung. Die Töchter haben sich nicht geäussert dazu. Ich wollte nicht, dass sie uns hineinreden», sagt die 78-Jährige.
Erfahrungen von der Intensivstation
Die erwähnten Solothurner Alterszentren haben den Verzicht auf Reanimationsmassnahmen bei Herzstillstand in ihrem Reglement verankert. Initiiert wurde das Ganze in diesem Fall von Barbara Schenker. Sie ist Pflegedienstleiterin der drei Alterszentren im Gäu. Fast 30 Jahre lang hatte sie auf einer Intensivstation gearbeitet.
Bei Menschen über 80 Jahre sei die Überlebenschance nach einem Herzstillstand trotz Reanimation gering: «Überleben sagt noch nichts darüber aus, wie man ‹zwäg› ist. Ist man geistig noch fit? Kann man noch sprechen? Ist man gelähmt? Von 100 Reanimierten über 80 überleben zwei. Das Ganze ist sehr fragwürdig», sagt die langjährige Intensivpflegerin Schenker.
Welche Schäden bleiben?
Ein paar Sekunden Herzstillstand genügen, dass das Hirn nicht mehr genügend mit Sauerstoff versorgt wird. Hirnschäden sind mögliche Folgen. «Man muss sich bewusst sein, dass ein schlagendes Herz nicht alles ist. Es liegt ein langer Weg vor einem, allenfalls mit einer langen Leidenszeit.»
Studie der Universität Basel und des Unispitals Basel
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Bei einem Herzstillstand sinkt mit jeder Minute ohne Kreislauf die Chance aufs Überleben. Schon nach wenigen Sekunden wird das Gehirn irreparabel geschädigt, sagen Forschende der Universität Basel und des Universitätsspitals Basel in einer
Studie
. Darin plädieren sie für mehr Aufklärung – und für eine klare Kommunikation, ob man überhaupt wiederbelebt werden will.
Etwa 8000 Personen in der Schweiz erleiden pro Jahr einen Herzkreislaufstillstand. Dies ist heute immer noch eine der häufigsten Todesursachen.
Passiert der Herzstillstand im Spital, überlebt etwa jede fünfte Person, sagen die Forschenden in der Studie. Von den Überlebenden hätten etwa die Hälfte kognitive Einschränkungen. Und nur etwa 25 Prozent können wieder selbständig ohne Hilfe zu Hause leben.
Aus diesen Gründen habe sie der Geschäftsleitung und dem Verwaltungsrat der Alterszentren Gäu vorgeschlagen, auf Reanimationsversuche bei Herzstillstand zu verzichten. Beide seien einverstanden gewesen. Zusätzlich gäben die Bewohnerinnen und Bewohner eine Patientenverfügung ab. So sei man auch rechtlich abgesichert. Nicht betroffen vom Verzicht auf Wiederbelebung sind Besucherinnen und Angestellte.
Noch kein Vorfall
In den sieben Jahren, in welchen Barbara Schenker bei den Alterszentren Gäu für die Pflege zuständig ist, sei noch niemand mit einem Herzstillstand zusammengebrochen. Mit dem vorhandenen Wissen seien Bewohnende und Angehörige mit der Verzichts-Erklärung einverstanden. Ausnahmen seien aber natürlich erlaubt, wenn es sinnvoll sei oder ausdrücklich gewünscht werde.
Wichtig sei, dass alle Betroffenen wüssten, was sie selber sich wünschten. Eine Patientenverfügung zum Beispiel regelt unabhängig von einem Heimaufenthalt, ob und wann lebensverlängernde Massnahmen gewünscht sind.
Alterszentren Gäu
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Zur Solothurner Genossenschaft
Alterszentren Gäu
gehört das Zentrum Sunnepark Egerkingen mit Pflegeplätzen und Alterswohnungen. In Balstahl betreibt die Genossenschaft im Lindenpark eine Demenzabteilung. In Oensingen gehört das Roggenpark zur Genossenschaft. Total betreuen die Heime über 200 Bewohnerinnen und Bewohner. Die Reanimationsregeln gelten in allen drei Institutionen.
Dass ein Alterszentrum in seinem Reglement festhält, dass im Fall eines Herzstillstandes keine Wiederbelebungsversuche gemacht werden, ist aussergewöhnlich. Auf Anfrage beim Aargauer Gesundheitsverband Vaka heisst es: Eine generelle Verweigerung sei dem Verband nicht bekannt. Im Normalfall werde beim Eintritt eine Patientenverfügung erfasst.
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