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Rendite um jeden Preis? Massenkündigungen von Mietwohnungen nehmen zu

Das Wichtigste in Kürze

  • Laut Mieterverband Basel nehmen sogenannte «Leerkündigungen» dramatisch zu. Heute kämen auf zehn Sanierungen fast ebenso viele Massenkündigungen.
  • In Basel-Stadt müssen Vermieter nach einer Volksabstimmung bald neu Sanierungen und Mietzinse bewilligen lassen.
  • Der Schweizerische Mieterverband fordert auch auf nationaler Ebene einen besseren Schutz der Mieter, vor allem der älteren.
  • Der Hauseigentümerverband ist gegen einen Schutz älterer Mieterinnen und Mieter. Diese würden sonst unattraktiv für den Wohnungsmarkt.

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Im zürcherischen Regensdorf erhielten im Juni alle Mieter einer grossen Siedlung die Kündigung. Betroffen sind auch betagte Mieter, wie die 84-jährige Margrit Steindorfer. Dass sie nach 61 Jahren aus ihrer Wohnung muss, lässt sie schier verzweifeln: «Das ist für mich der Untergang, es ist einfach hart, in diesem Alter noch eine Wohnung suchen zu müssen.»

«Wir haben keinerlei Unterstützung erhalten»

Viele der betroffenen 126 Bewohner beklagen die fehlende Unterstützung der Liegenschaftsbesitzerin Swiss Life. An einem Informationsanlass habe man ihnen keinerlei Hilfe bei der Wohnungssuche angeboten. «Es hiess einfach, es habe genug freie Wohnungen auf den Markt», erzählt Mieterin Anna Groshans. Gerade ältere Mieter sind mit der Wohnungssuche jedoch überfordert, weil Wohnungen fast nur noch im Internet ausgeschrieben sind.

Swiss Life räumt gegenüber «Kassensturz» Fehler bei der Organisation und Kommunikation der Kündigungen ein. Man unterstütze betroffene Mieter nun bei der Wohnungssuche und sei zuversichtlich, dass man für alle Mieter ein schönes neues Daheim finden werde.»

Das Thema Leerkündigungen sorgt auch andernorts für Empörung. In Basel geriet etwa die Sanierung eines Wohnblocks an der Mühlhauserstrasse in die Kritik. Auch dort wurde im Herbst 2016 allen 22 Mietparteien gekündigt.

«Leerkündigungen nehmen dramatisch zu»

Solche Leerkündigungen würden dramatisch zunehmen, bestätigt Beat Leuthard vom Mieterverband Basel. «Vor zehn Jahren hatten wir auf zehn Sanierungen vielleicht eine Kündigung, beim Rest konnten die Bewohner in ihren Wohnungen bleiben. Heute ist es gerade umgekehrt.» In den meisten Fällen würden Hausbesitzer der Mieterschaft immer direkt auf Vorrat künden.

Diese Entwicklung kommt nicht gut an. Das Stimmvolk des Kantons Basel-Stadt hat im letzten Juni eine Verfassungsänderung angenommen. Diese verlangt «den Erhalt bestehenden bezahlbaren Wohnraums in allen Quartieren.»

Neu gelte für Sanierungen und Abbrüche eine doppelte Bewilligungspflicht, erklärt Beat Leuthard: «Nur noch notwendige Umbauten sollen bewilligt werden. Und auch die Mietzinsen nach einem Umbau oder Abbruch müssen bewilligt werden». Wie diese Bewilligungspflicht konkret umgesetzt wird, ist derzeit noch offen.

Mieterverband fordert stärkeren Schutz älterer Mieter

Auch Balthasar Glättli, Vize-Präsident des Mieterinnen- und Mieterverbandes Schweiz befürchtet, dass Leerkündigungen schweizweit zunehmen werden. «Es gibt einen massiven Renditedruck und auch Renditeerwartungen von den Investoren. Dann kündigt man leer, weil man so massiv höhere Mietzinsen erzielen kann.» Der Verband fordert deshalb, dass insbesondere ältere Mieterinnen und Mieter besser vor Kündigungen geschützt werden. Vermieter sollen:

  • So sanieren, dass Mieter in die renovierten Wohnungen zurückkehren können.
  • Mietern Ersatzwohnungen anbieten.
  • Betroffene bei der Wohnungssuche unterstützen.

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