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Rente mit 60 bedroht Streit in der Baubranche spitzt sich zu

Die Kündigung der Pensionskasse verschärft die Situation. Wer soll für die Frühpensionierung auf dem Bau bezahlen?

Schock für die Bauarbeiter: Die Auffangeinrichtung BVG des Bundes hat den Vertrag mit der Baubranche gekündigt. Das hat einschneidende Auswirkungen für alle Bauarbeiter, die vor 65 in Pension gehen wollen. Die Rente mit 60 für Bauarbeiter ist eine der wichtigsten sozialpolitischen Errungenschaften der vergangenen Jahre. Sie wurde 2003 nach einem harten Arbeitskampf eingeführt.

Pensionskasse will nicht mehr: Als einzige Pensionskasse der Schweiz nimmt die Auffangeinrichtung BVG jeden auf. Doch jetzt musste sie die Notrbremse ziehen: Weil sich immer mehr Bauarbeiter vorzeitig pensionieren lassen, reicht das dafür vorgesehene Geld nicht mehr. Die übrigen Versicherten in der beruflichen Vorsorge müssen die Bauarbeiter immer stärker quersubventionieren.

Bauarbeiter in orangen Kleidern vor einer Tunnelbohrmaschine.
Legende: Die Arbeit auf dem Bau ist schwer, deshalb können sich Arbeiter schon mit 60 Jahren pensionieren lassen. Keystone

So funktionierte die Pensionierung mit 60 bisher: Seit 2003 können die Bauarbeitern frühestens mit 60 Jahren in Pension gehen. Bis zum ordentlichen Pensionsalter von 65 erhalten sie eine Übergangsrente. Diese übernimmt die Stiftung FAR (Flexibler Altersrücktritt). Die Stiftung finanzieren Bauarbeiter und Baumeister gemeinsam.

Das bedeutet die Kündigung für die Bauarbeiter: Wer bereits in der Auffangeinrichtung versichert ist, kann bleiben. Seine Rente ist gesichert. Wer aber beispielsweise 59 Jahre alt ist und nächstes Jahr in Frühpension gehen will, wird nicht mehr aufgenommen. Er muss entweder länger arbeiten oder eine um 200 bis 300 Franken pro Monat tiefere Rente in Kauf nehmen.

Arbeitnehmer-Vertreter wehren sich: Die Gewerkschaften haben angekündigt, dass sie rechtlich gegen die Vertragskündigung durch die Auffangeinrichtung vorgehen wollen. Sie argumentieren mit einem externen Gutachten, gemäss dem die Auffangeinrichtung gesetzlich verpflichtet sei, ältere Arbeitnehmer weiter zu versichern. Dazu gehörten auch jene, die mit 60 Jahren aufhören zu arbeiten und deshalb nicht in ihrer bisherigen Pensionskasse bleiben können.

Eine Frage der Finanzierung: Das Problem könnte dadurch gelöst oder entschärft werden, dass die Beiträge der Stiftung FAR erhöht werden, oder/und die Renten gekürzt werden, sagt SRF-Wirtschaftsredaktor Lorenzo Bonati. Doch genau darüber streiten Baumeister und Gewerkschaften seit Jahren. Für die Gewerkschaften kommt eine Rentenkürzung nicht infrage. Sie fordern stattdessen höhere Beitragszahlungen in die Stiftung. Den Baumeistern werfen sie vor, diese weigerten sich, über vorübergehende Massnahmen wegen der zunehmenden Frühpensionierungen der Babyboomer zu verhandeln.

Baumeister fordern Sanierung: Der Kündigungsentscheid der Auffangeinrichtung bestätigt aus Sicht der Baumeister deren Forderung, dass «das marode und ineffiziente System» der Frührenten auf dem Bau dringend saniert werden müsse. Laut dem Baumeisterverband verschwindet die Hälfte aller BVG-Beiträge ohne Wirkung im System. Er fordert die Gewerkschaften zur Kooperation auf, um die Sanierungsmassnahmen anzugehen.

Es droht ein Arbeitskampf: Der Streit zwischen Baumeistern und Gewerkschaften um die Finanzierung der Frühpensionierung schwelt schon seit einigen Jahren. Er hat nur indirekt etwas mit der jetzigen Vertragskündigung durch die Auffangeinrichtung des Bundes zu tun. Allerdings erhält der Streit dadurch neue Nahrung.

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