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Rettung historischer Dokumente Schlechte Tinte lässt viele historische Schriftstücke zerfallen

Über eine halbe Million Blätter von historischen Handschriften in der Basler Universitätsbibliothek sind vom Zerfall durch «Tintenfrass» bedroht. Jetzt startet die Bibliothek eine Rettungsaktion.

Wolfgang Amadeus Mozarts vorletzter Brief vor seinem Tod 1791 ist eines der Prachtstücke der Handschriften-Sammlung der Basler Universitätsbibliothek (UB). Das historische Dokument kann aber Forschenden nicht mehr zur Verfügung gestellt werden, weil es von Tintenfrass befallen ist. Diese Art Papier-Krankheit kommt von schlechter alter Tinte, die das Papier schleichend zerstört.

Was ist Tintenfrass?

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«Tintenfrass» ist der Fachbegriff für den beschleunigten Abbau des Schriftträgers, meist Papier. Dieses Schadensbild tritt um die Tinte herum im Papier auf und es breitet sich im Lauf der Zeit aus. Es beginnt oft mit Braunwerden und Durchdrücken der Schrift auf die Rückseite. Später kann das Papier brechen, Schrift gar herausbrechen – ein Buchstabe fällt also aus dem Blatt.

Das Phänomen zeigt sich in einem weiter fortgeschrittenen Stadium als eine Art «X-Effekt», bei dem sich Schriften von Vorder- und Rückseite eines Blattes zu überlagern begännen, erklärt Lisa Dittmann, Chefin der Bestandserhaltung an der UB. Der zerstörerische Effekt verstärke sich bis zu physischem Zerfall: «In stark beschriebenen Bereichen bricht die Schrift aus dem Papier heraus.»

In stark beschriebenen Bereichen bricht die Schrift aus dem Papier heraus.
Autor: Lisa Dittmann Leiterin Bestandes-Erhaltung an der Basler Universitätsbibliothek

Schuld ist bei diesem Brief nicht einmal Mozart selber, sondern der zweite Ehemann seiner Frau: Dieser wollte Mozarts Schmähungen anderer Personen vertuschen und krakelte dick mit Tinte über manche Namen. Just an diesen Stellen mit viel Tinte ist das Papier heute, gut 200 Jahre später, in einem schlechten Zustand.

Von den 7.8 Millionen handgeschriebenen Blättern in der Basler UB-Sammlung leiden 9.4 Prozent an Tintenfrass. Einige tausend Blätter sind so stark geschädigt, dass die Verantwortlichen sie zur Rettung jetzt chemisch behandeln.

Leuchtpult
Legende: Lisa Dittmann prüft ein zu konservierendes Handschriftstück auf dem Lichtpult. SRF / Hanna Girard

Dazu wird das Papier zur Vorbereitung anderthalb Stunden in einer Klimakammer befeuchtet, anschliessend mit Ethanol-Wasser benetzt und danach mit vier verschiedenen Chemikalien-Bädern behandelt. Diese Prozedur stoppt den Tintenfrass, indem sie schädliche Eisen-Ionen und Säure im Papier unschädlich macht. Am Schluss kommt eine Schutzschicht darüber.

Aufwändige Prozedur

Ein Blatt Papier macht so zwei über Stunden Arbeit. Im Frühling geht die Rettungsaktion so richtig los. Weil die vier Jahre für dieses Projekt nicht reichen, hat UB eine Maschine im Auge, die mehrere Blätter gleichzeitig behandeln kann. Eine solch aufwändige Rettungsaktion sprengt das normale Budget der Universitätsbibliothek. Der Kanton Basel-Stadt steuert dazu sieben Millionen Franken bei.

Bei uns war ein Auslöser, dass wir es bei vielen Dokumenten nicht mehr verantworten konnten, sie zu zeigen.
Autor: Ulrich Dill Leiter Handschriften und Alte Drucke an der Basler UB

Weil der Tintenfrass ein langsamer Prozess ist, gebe es keinen idealen Moment für eine Konservierungsaktion, sagt Ulrich Dill, der die Abteilung Historische Sammlungen an der Basler UB leitet. «Bei uns war ein Auslöser, dass wir es bei vielen Dokumenten nicht mehr verantworten konnten, sie zu zeigen oder in die Benutzung zu geben.»

Eisengallus-Tinte

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Schuld am Tintenfrass ist sogenannte Eisengallus-Tinte. Diese war verbreitet von der Antike bis ins 19. Jahrhundert. Darin sind tatsächlich auch zermahlene Galläpfel enthalten, zudem Eisen-Vitriol, Gummi Arabicum sowie ein Lösungsmittel wie Wein oder Wasser. Je nach Mischung sei das zwar eine alterungsbeständige Schreibtinte, erklärt Lisa Dittmann, Leiterin Bestandes-Erhaltung an der Basler Universitätsbibliothek. Bei einem Missverhältnis der Inhaltsstoffe könne sie aber Tintenfrass auslösen.

Die Basler UB ist nicht die einzige Bibliothek mit historischen Handschriften, die dieses Problem angeht: Das Staatsarchiv Zürich hat bereits begonnen, seine papierenen Zeitzeugnisse so zu konservieren. Die Berner Fachhochschule arbeitet derweil an einer Maschine, die mehrere Blätter gleichzeitig behandeln kann.

Regionaljournal Basel, 09.02.2023, 17:30 Uhr ; 

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