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Ambulanz wird immer mehr gebraucht
Aus Schweiz aktuell vom 11.11.2022.
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Rettungsdienste am Anschlag «Extreme Belastung»: Ambulanzen müssen immer öfter ausrücken

Dauerstress für Schweizer Rettungsdienste: Die Zahl der Einsätze nimmt markant zu. Die Gründe sind unklar.

Es liegen nasse Blätter auf der Strasse, man rutscht aus und beim Aufprall bricht man sich ein Bein. Das ist Alltag im Herbst, auch Alltag für Sanitäterinnen und Sanitäter, die Verletzte vor Ort versorgen und dann in ein Spital fahren. Für die Profis in den Ambulanzfahrzeugen wird dieser Alltag jedoch immer stressiger. Denn sie müssen immer öfter ausrücken.

Zehn, elf Einsätze pro Team: Das ist einfach eine extreme Belastung
Autor: Roman Huder Rettungssanitäter in Basel

Bei der Basler Sanität rücke jedes Zweierteam in Spitzenzeiten täglich für bis zu einem Dutzend Einsätze aus, sagt Rettungssanitäter Roman Huder. Eine Schicht dauert zwölf Stunden. Früher seien es vier bis sechs Einsätze pro Schicht gewesen. Nach jeder Fahrt werden die Fahrzeuge desinfiziert und das Verbrauchsmaterial aufgefüllt. So reiche es manchmal nicht einmal für einen Kaffee zwischendurch.

Warum die Ambulanzen heute so viel häufiger ausrücken müssen, darüber kann Rettungssanitäterin Carmen Nick nur rätseln: Herzinfarkte Schlaganfälle, Verletzungen, Unfälle, das sei «was wir immer gehabt haben, aber es ist einfach viel mehr geworden» – die Gründe kenne sie nicht. Ihr Kollege Roman Huder ergänzt, nach Corona habe es nochmals extrem angezogen. Und die Hemmschwelle sei heute sehr tief, die Ambulanz zu rufen - auch bei Bagatellen.

Ohne Teamwork kein Feierabend

Die Angestellten der Basler Sanität sind mit Herzblut bei ihrer Arbeit. Die meisten bereiten schon eine halbe Stunde vor Schichtbeginn ihr Fahrzeug vor, damit sie bei Bedarf sofort losfahren können. Damit stellen sie auch sicher, dass die Kolleginnen und Kollegen der zu Ende gehenden Schicht wirklich Feierabend machen können.

Die Gründe für die Zunahme der Ambulanz-Einsätze sind unklar

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Toprak Yerguz, Sprecher des baselstädtischen Justiz- und Sicherheitsdepartementes, nimmt Stellung zum zunehmenden Stress bei den Rettungsdiensten.

Warum haben die Ambulanz-Einsätze 2021 so stark zugenommen?

Toprak Yerguz: Die Fachleute sind von einem Anstieg im tiefen einstelligen Prozentbereich pro Jahr ausgegangen. Stattdessen haben wir eine wesentlich stärkere Zunahme, die alle überrascht. Es gibt zwar Erklärungsansätze, aber keiner davon ist gefestigt. Wir möchten die Spekulationen nicht zusätzlich anheizen, zumal mehrere Faktoren eine Rolle spielen könnten. Zum jetzigen Zeitpunkt stellen wir fest: Die Einsatzzahlen steigen ununterbrochen und die genauen Ursachen sind offen.

War das ein Zufalls-Peak oder erwarten Sie, dass das so weiter geht?

Die Statistik zeigt klar aufwärts. Solange wir die Ursachen für die steigenden Einsatzzahlen nicht genau kennen, können wir nicht mit einem Nachlassen rechnen. Das wäre fahrlässig. Die Sanität der Rettung Basel-Stadt erbringt ja eine Dienstleistung, bei der es um Leben und Tod geht. Das ist nicht «nice to have».

Was bedeutet dies für den Personalbestand bei der Basler Sanität?

Die Teams der Sanität Basel arbeiten hart an der Auslastungsgrenze. Derzeit können die Hilfsfristen noch eingehalten werden. Wir müssen aber vorausplanen und haben die Erhöhung der Anzahl Rettungsteams bereits beantragt. Unser Antrag ist jetzt auf dem politischen Weg.

Wenn ein Alarm eingeht, schiesst dem Zweier-Team, das sofort ausrückt, das Adrenalin in die Adern. Oft wissen die Rettungsleute nicht, was sie genau antreffen werden. Die Crew am Telefon der Sanitäts-Zentrale fragt zwar alle Anrufenden, was passiert sei. Aber die Situation einer verunfallten Person einzuschätzen ist für Laien nicht einfach, zumal sie in einer Ausnahmesituation sind.

Wer das Ambulanzfahrzeug lenkt, muss fit und voll bei der Sache sein, besonders bei Notfällen mit Blaulicht und Martinshorn. Ambulanzen dürfen zwar in einem Einsatz bei rot über die Kreuzung, schneller fahren und auf die Gegenfahrbahn ausweichen. Allerdings rechnen nicht alle anderen Verkehrsteilnehmer damit – neben Konzentration ist daher auch Verkehrs-Intuition lebenswichtig. «Es ist immer ein Stress, mit Blaulicht und Horn durch die Stadt zu fahren, weil man wirklich für alle mitdenken muss», sagt Huder.

Manchmal wird eine Ambulanz auch geblitzt. Das bedeutet danach Büroarbeit, weil Verkehrsregelverstösse mit medizinischen Notfällen legitimiert werden müssen. Je nach Problem zählt jede Minute, beispielsweise bei Hirnverletzungen.

Man hat auch Angst, dass man Fehler macht durch die höhere Belastung. Das macht einem schon Sorgen.
Autor: Patrick Trijnes Dispatcher Rettung Basel-Stadt

In Basel sind im Ambulanzfahrzeug jeweils zwei ausgebildete Rettungs-Fachkräfte im Einsatz. Diese wechseln sich ab beim Fahren und Betreuen von Patientinnen und Patienten. Teamarbeit ist wichtig; trotz Stress muss man Fehler vermeiden. Und das im Einsatz Erlebte kann auch Profis nahe gehen; Austausch tut deshalb gut.

Warten auf die Ambulanz löst Diskussionen aus

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Eine Möglichkeit, den Druck auf die Angestellten zu reduzieren, sind mehr Standorte für Rettungsfahrzeuge, weil das Wege verkürzt. So ist in Basel eine zweite Einsatzzentrale der Abteilung Rettung beim Zeughaus geplant, auf der anderen Seite der Stadt.

Auf dem Land sind die Distanzen grösser, und die Ambulanz gerät in die Kritik, wenn sie zu oft später als in den vorgegebenen maximal 15 Minuten nach einem Anruf am Einsatzort eintrifft – so etwa im Kanton Baselland oder im Wallis. In einer hitzigen Debatte im Baselbieter Landrat bezifferte Gesundheitsdirektor Thomas Weber im September die Kosten eines zusätzlichen Ambulanzfahrzeuges auf 1 bis 1,2 Millionen Franken pro Jahr.

Roman Huder ist mit zehn Jahren schon so lange bei der Ambulanz wie sonst kaum jemand. Ihn reizt das täglich Neue. Belastung und Druck sind hoch in diesem Job, und manche steigen nach ein paar Jahren wieder aus. In einem ausgetrockneten Arbeitsmarkt Personal zu rekrutieren, ist auch für die Ambulanzen nicht einfach.

Regionaljournal Basel, 10.11.2022, 17:30 Uhr;

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