Ab dem 1. Dezember können die Kantone unter klar definierten Bedingungen bekanntlich Wolfsrudel präventiv abschiessen . Mit einer Teilrevision der Jagdverordnung soll den wachsenden Tierbeständen Einhalt geboten werden.
Fünf Kantone haben Gesuche eingereicht, die meisten hat das Bundesamt für Umwelt bewilligt. Doch die Schweizer Abschusspraxis sorgt im nahen Ausland für Kopfschütteln.
Ein Tropfen auf den heissen Stein?
Die Wildhüter und Jäger haben mit der Bewilligung eine grosse Aufgabe vor sich, ist sich Urs Büchler, Präsident des Schweizerischen Wildhüterverbands, bewusst.
Die Schweiz reguliert den Wolfsbestand, das ganze Ausland darum herum jedoch nicht. Ist das nicht der berühmte Tropfen auf den heissen Stein? «Es herrscht eine grosse Dynamik der Wölfe in Europa.» Wölfe würden sowohl nach Italien und Frankreich abwandern, als auch einwandern, so Büchler. «Ob man da etwas bewirken kann, wird die Zukunft zeigen.»
Diese Haltung scheint mir etwas arrogant; dass man den menschlichen Interessen den Vorrang gibt.
Bereits jetzt überschreiten neun Rudel die Grenzen. Der Blick auf die Nachbarländer zeigt: In Österreich sind es aktuell mindestens drei Rudel, in Deutschland – insbesondere im Osten – leben ganze 184 Rudel. Frankreich zählt rund 128 Rudel und allein durch die italienischen Alpen streifen mindestens 135 Wolfsrudel.
Grosse Wanderbewegungen der Wölfe
Luigi Boitani ist emeritierter Professor für Zoologie an der Universität Rom und bekannter Wolfsforscher. Die starke Regulierung in der Schweiz findet er das falsche Vorgehen. «Aus der Schweiz kommen interessante Daten zur Wanderbewegung: Ein Wolf, der in Graubünden mit einem Funkhalsband markiert wurde, wurde 2000 Kilometer entfernt in der Slowakei gefunden, der dort im Mai verendete. Wölfe wandern über grosse Entfernungen.»
Die Dezimierung, welche die Schweiz heute vornehme, müsste gemäss Boitani darum jedes Jahr wiederholt werden. «Und diese Haltung scheint mir etwas arrogant; dass man den menschlichen Interessen den Vorrang gegenüber den Interessen der Wildtiere gibt.»
Vom Bundesamt für Umwelt sind 12 Gesuche für einen Abschuss genehmigt worden. «Wölfe machen an der Grenze zur Schweiz nicht Halt, das ist so», erklärt Direktorin Kathrin Schneeberger.
Wölfe hätten ein grosses Streifgebiet und würden die Grenzen deshalb auch immer wieder überqueren. «Ziel der Massnahmen ist es deshalb auch, Wölfe wieder scheuer zu machen und schliesslich auch weniger Wölfe abschiessen zu müssen», so Schneeberger.
Umstrittenes Thema auch in der Politik
Das Wolfsthema polarisiert – und wird auch in der Politik heiss diskutiert. «Das ist sicher auch ein politischer Entscheid», erklärt Urs Büchler. Die Arbeit müsse aber draussen gemacht werden, und es stehe auf einem anderen Blatt Papier geschrieben, was dort möglich sei und gemacht werden könne.
«Die Erfahrung aber hat gezeigt, dass in diesen Gebieten nur ein Bruchteil der Schaden stiftenden Wölfe erlegt werden konnte. Dies zeigt, wie gross die Schwierigkeiten sind.»
Der kommende Schnee macht das Unterfangen nicht einfacher. In den Kantonen Wallis und Graubünden will man so schnell wie möglich mit dem Abschuss starten.