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Ringier soll Gewinn abgeben Legt Spiess-Hegglin der Boulevardpresse definitiv die Zügel an?

Seit acht Jahren dreht die Geschichte um die frühere Zuger Kantonsrätin Jolanda Spiess-Hegglin und die Ereignisse an der Landammann-Feier. Mit dem jüngsten Urteil gegen Ringier zur Herausgabe von Gewinnen aus Artikeln zeichne sich eine Zäsur ab, sagt SRF-Medienredaktor Salvador Atasoy.

Salvador Atasoy

Medienredaktor

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Salvador Atasoy arbeitet seit 2013 als Moderator und Redaktor für SRF 4 News und die SRF Medienredaktion – er verantwortet zudem den SRF Medientalk. Der Soziologe promovierte mit einer Arbeit zu journalistischer Qualität und war zuvor unter anderem für das ZDF, die «Sonntagszeitung» oder die «FAZ» tätig.

SRF News: Welche Bedeutung hat dieses Urteil des Zuger Kantonsgerichts?

Salvador Atasoy: Das Urteil ist ein Novum in der Schweizer Medienlandschaft. Noch nie musste ein Verlag den Wert von einzelnen Artikeln berechnen. Die Verlage stellten sich bisher immer auf den Standpunkt, das sei gar nicht möglich. So gesehen ist es tatsächlich eine Zeitenwende, auch wenn das Urteil noch nicht rechtskräftig ist und Ringier das Urteil ziemlich sicher weiterzieht. Das erstinstanzliche Urteil des Kantonsgerichts zeigt aber: Die Forderung steht im Raum und wird juristisch gestützt.

Jolanda Spiess-Hegglin hat mehrere Klagen gegen Ringier am Laufen. Worum geht es bei der aktuellen Klage?

Im Grunde geht es auch hier um Persönlichkeitsverletzungen und die Frage, ob die Geschichte der Landammann-Feier von öffentlichem Interesse ist oder nicht. Bisher ging es allerdings um genau einen Artikel. In diesem Fall urteilte das Zuger Obergericht 2020 zweitinstanzlich zugunsten von Spiess-Hegglin. Ringier akzeptierte das Urteil und entschuldigte sich.

Jolanda Spiess-Hegglin.
Legende: Jolanda Spiess-Hegglin kämpft um Wiedergutmachung und ist Netzaktivistin gegen Digitale Gewalt. Keystone/Archiv

Im jüngsten Urteil geht es ums gleiche Prinzip, allerdings bei mehreren Blick-Artikeln. Die Journalistin, Politikern und heutige Aktivistin Spiess-Hegglin geht aber einen Schritt weiter: Und zwar mit der Forderung, dass Ringier auch die Gewinne aus den umstrittenen Stories herausgeben soll. Das Kantonsgericht sieht den Anspruch der Klägerin in vier von fünf eingereichten Artikeln als berechtigt an.

Ist es überhaupt möglich, die Gewinne zu berechnen, die in der Zeitung und online waren und auch in den sozialen Medien verbreitet wurden?

Das Gericht bejaht: Blick habe dank der Geschichten die Auflage steigern können und müsse deshalb den Gewinn abzüglich Unkosten abgeben, so das Urteil. Das Gericht gibt dazu sogar die Anleitung. Es verlangt, dass Ringier die Einzelverkäufe gewisser Blick-Nummern nennt, ebenso die Kennzahlen der einzelnen Online-Artikel.

Experten wie etwa der ehemalige Chefredaktor von 20 Minuten online, Hansi Voigt, sagt: Der Wert eines einzelnen Klicks zu einem bestimmten Zeitpunkt könne berechnet werden, wenn man Werbeeinnahmen und Konditionen kenne. So zeige sich, was ein Unternehmen mit einer Geschichte verdient habe.

Was würde es für die Medien und künftige Schmutzkampagnen bedeuten, wenn das Urteil bis zum Bundesgericht bestehen bliebe?

Es wäre ein Wendepunkt. Jolanda Spiess-Hegglin geht es letzten Endes darum, einen Schlüssel zu definieren, wie entstandener Schaden materiell berechnet werden kann. Das war bisher nicht möglich. Es geht also darum, einen Präzedenzfall zu schaffen.

Dies wiederum würde bedeuten, dass die Berichterstattung für Medien schwieriger wird und mehr Leute, die sich verletzt fühlen, klagen könnten. Ein Artikel, basierend auf Gerüchten und übler Nachrede, wäre künftig juristisch noch viel heikler als heute. Gerade für den Boulevard wäre das eine harte Einschränkung, lebt dieser doch zumindest teilweise von Gerüchten und Anwürfen.

Das Gespräch führte Roger Brändlin.

Echo der Zeit, 30.06.2022, 18:00 Uhr ; 

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