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Risikogruppen und Corona «Ärzte urteilen teils im Widerspruch zur Bundesratsverordnung»

Menschen mit gewissen chronischen Krankheiten sind besonders gefährdet. Ärzte beurteilen die Gefahr teilweise anders.

Wer Bluthochdruck oder chronische Atemwegserkrankungen wie Asthma hat, gehört gemäss Corona-Verordnung zur Risikogruppe. Betroffene sollten zurzeit nicht arbeiten, ausser sie können ihre Arbeit von Zuhause erledigen.

Immer wieder melden sich aber Menschen beim SRF-Konsumentenmagazin, welche von ihren Arbeitgebern oder auch vom eigenen Hausarzt zu hören bekommen, dass sie trotz dieser Diagnosen weiterhin arbeiten könnten.

Ist das rechtens? «Espresso» spricht mit Gerald Tippelmann, Redaktionsleiter des SRF-Gesundheitsmagazins «Puls» und selber Mediziner.

Gerald Tippelmann

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Gerald Tippelmann ist Redaktionsleiter des SRF-Gesundheitsmagazins «Puls».

«Espresso»: Gerald Tippelmann, was gilt denn nun?

Gerald Tippelmann: Es ist schwierig zu sagen, was gilt, weil die Verordnung einerseits eindeutig ist. Asthmatiker gehören beispielsweise zur Risikogruppe. Somit müssen für sie Arbeitsbedingungen geschaffen werden, welche eine Ansteckung möglichst unwahrscheinlich machen.

In der Verordnung wird aber eben andererseits nicht differenziert: Wie schwer ist dieses Asthma? Ist es ständig bestehend, oder hat jemand einmal als Jugendlicher einen asthmatischen Schub gehabt und seither nie wieder Episoden?

Die allgemeine Aussage, dass Asthmatiker grundsätzlich zur Risikogruppe gehören, macht in der Praxis keinen Sinn. Auch die pulmologische Gesellschaft sagt klar, dass Asthmatiker nicht grundsätzlich zur Risikogruppe gehören.

Dies steht aber im Widerspruch zur Verordnung...

Richtig. Und wir stellen fest, Ärztinnen und Ärzte sind sich nicht einig. Das widerspiegelt sich auch in unseren SRF-Chats zum Coronavirus, auch dort widersprechen sich Fachleute. Umso wichtiger ist es, dass man sich mit dem Hausarzt berät, wie man vorgehen soll. Denn es ist immer auch eine Frage, wie alt jemand ist, ob jemand noch andere Nebenerkrankungen hat etc.

Erst unter Einbezug aller Aspekte kann jemand entscheiden, wie er sich verhalten soll.

Bei der Diagnose Bluthochdruck stellen Hörer ähnliche Fragen, weil beispielsweise der Chef die Krankheit nicht ernst nimmt. Wie sollen sich solche Leute verhalten?

Auch hier stellt sich die Frage: Wie ausgeprägt ist die Krankheit, gibt es zusätzliche Risikofaktoren? Damit kann ein Arzt entscheiden, ob er diesen Fall als Risiko einstuft. Auch die Schweizerische Gesellschaft für Hypertonie hat eindeutig gesagt, allein ein Bluthochdruck ist noch kein Grund, zur Risikogruppe zu zählen – und steht damit im klaren Widerspruch zur Verordnung des Bundes.

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Haben Sie wissenschaftliche Fragen zur Krankheit Covid-19 und zum Coronavirus? Heute von 16 bis 18 Uhr beantworten Wissenschfts-Expertinnen und -Experten von SRF Ihre Fragen. Der Chat findet hier statt .

Auch nicht unterschieden wird in der Verordnung, ob jemand ein gut eingestellter Diabetiker ist oder ein erfolgreich behandelter Bluthochdruck-Patient. Man gehört trotzdem zur Risikogruppe.

Dass das Risiko gar nicht unbedingt erhöht sein mag, steht auf einem anderen Blatt. Es geht gerne vergessen, dass sich das Risiko nicht auf eine mögliche Ansteckung bezieht, sondern auf den Verlauf der Krankheit.

Zum Schluss: Was raten Sie Betroffenen mit Bluthochdruck oder Asthma?

Es macht wirklich Sinn, seinen Hausarzt zu fragen, wie er die ganz persönliche Situation einschätzt und ob ein erhöhtes Risiko besteht, unter Einbezug aller relevanten Faktoren.

Die wichtigsten Informationen zum Coronavirus:

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Espresso, 02.04.2020, 08:13 Uhr

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