- Der Nationalrat möchte es den Kantonen weiterhin ermöglichen, Listen zu führen für Personen, die ihre Krankenkassenprämien nicht bezahlen.
- Die grosse Kammer hat sich am Donnerstag mit 98 zu 92 Stimmen bei 2 Enthaltungen gegen die Abschaffung der sogenannten Listen säumiger Prämienzahlender ausgesprochen.
- Damit stellen sich nun National- und Ständerat gegen den Bundesrat.
Wer seine Krankenkassen-Rechnung nicht begleichen kann, kommt aktuell in den Kantonen Aargau, Luzern, Tessin, Thurgau und Zug auf eine schwarze Liste und erhält nur noch im Notfall medizinische Behandlung.
Über Sinn und Unsinn der sogenannten schwarzen Liste säumiger Prämienzahlerinnen und -zahler hat die grosse Kammer am Donnerstag ausgiebig diskutiert. Vor allem den Grünen, der SP und der GLP ist die Liste ein Dorn im Auge.
Manuela Weichelt (Grüne/ZG) argumentierte unter anderem: Die Betroffenen würden die Prämien meist nicht aus Unwille zahlen, sondern aus Unfähigkeit. Bei diesen Personen verfehle die Liste ihren Zweck, zur Bezahlung der Krankenkassenausstände zu animieren.
Auch bringe diese Handhabung Ärztinnen und Ärzte in die Bredouille. Denn jene müssten letztlich entscheiden, welche Behandlung noch ausgeführt werden dürften.
Gegen die Streichung wehrten sich die bürgerlichen Fraktionen. Christian Lohr (Mitte/TG) argumentierte, die Krankenversicherung basiere auf Solidarität. «Das heisst, Prämien sind zu zahlen.»
Auch föderalistische Überlegungen standen im Raum: So sagte etwa Regine Sauter (FDP/ZH), die freisinnige Fraktion wolle es den Kantonen überlassen, solche Listen zu führen. Mit Blick auf den Kanton Thurgau, der eine schwarze Liste führt, sprach Therese Schläpfer (SVP/ZH) gar von einem «Erfolgsmodell» – in doppelter Hinsicht.
Einerseits unterstütze das Case-Management Familien in wirtschaftlichen Schwierigkeiten, Schuldenberge zu tilgen. Andererseits zahle sich die gezielte Begleitung säumiger Prämienzahler aus: Thurgau gehöre zu den Kantonen mit den schweizweit tiefsten Prämienausständen.
Junge sollen nicht mehr für Eltern haften
Ferner hat sich der Nationalrat am Donnerstag dafür ausgesprochen, dass die Prämien von Personen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten vom Lohn abgezogen und an den Versicherer überwiesen werden können. So sollen neue Schulden aufgrund bestehender Betreibungen vermieden werden.
Schliesslich sollen junge Erwachsene nicht mehr für die Prämien haften, die von ihren Eltern nicht bezahlt wurden, solange sie minderjährig waren. Gemäss Nationalrat soll diese Regelung auch für junge Erwachsene gelten, die noch in der Ausbildung sind.
Einig sind sich die Räte darin, dass die Zahl der Betreibungen auf zwei pro Jahr begrenzt werden soll. Die Kantone, die dies möchten, sollen die Verlustscheine für 90 Prozent der Forderung von den Versicherern übernehmen und selber bewirtschaften können.
Standesinitiative brachte Ball ins Rollen
Dass das Verfahren beim Nichtbezahlen der Prämien in verschiedenen Punkten überhaupt angepasst werden soll, geht auf eine Standesinitiative des Kantons Thurgau zurück. Dass es Änderungen braucht, ist grundsätzlich unbestritten: Der Nationalrat hat die Vorlage denn auch mit 191 Ja-Stimmen und ohne Gegenstimmen bei einer Enthaltung angenommen – das Geschäft geht nun zurück an den Ständerat.