Drei Personen starben. Auch der Täter war tot. Vier Personen wurden zum Teil schwer verletzt. Der Fall Salez sorgte im August letzten Jahres international für Aufsehen. Viel wurde spekuliert, man sprach auch von einem Terroranschlag. Als Täter erwies sich ein 27-jähriger Mann aus der Region, der einen Tag später starb.
Eines seiner Opfer ist die heute siebenjährige Adiam. «10vor10» hat sie ein Jahr nach der Attacke getroffen. Sie mag nicht über den Tag sprechen, an dem sich ihr Leben brutal veränderte, an dem sie ein Fremder im Zug mit einer Flüssigkeit bespritzte und anzündete und nach dem sie Monate im Kinderspital in Zürich verbringen musste.
Zwei Monate Intensivstation, 36 Narkosen
Adiam war mit ihrer Mutter und ihrem älteren Bruder Alexander auf der verhängnisvollen Reise. Alexander hatte jedoch Glück: Er war zur Tatzeit auf der Toilette und blieb unverletzt. Ihre Mutter erinnert sich an den Angriff: «Ich sah, wie der Täter einer jungen Frau im Zug Flüssigkeit anspritzte. Ich dachte, es sei Wasser. Doch dann zündete er sie an. Die Frau geriet in Brand.» Adiam sei neben dem Mädchen gesessen und brannte plötzlich auch. «Ich wollte meine Tochter löschen, doch das gelang mir nicht, stattdessen verbrannte ich mich selber am Arm.»
Während zweier Monate lag Adiam auf der Intensivstation im Kinderspital Zürich. 30 Prozent ihres Körpers waren schwer verbrannt. 36 Narkosen hat sie seit dem Unfall hinter sich. Kinderchirurg Clemens Schiestl und sein Team operierten und pflegten Adiam: «Wenn ein Mensch mit Brandbeschleuniger angespritzt und angezündet wird, ist das das Katastrophalste, was passieren kann.» Ein Grossteil der Wunden seien schwere Verbrennungen dritten Grades gewesen.
Angestarrt und ausgelacht
Der Weg zurück ins Leben ist schwierig: Adiams Narben müssen gepflegt werden, sie braucht Therapien und immer wieder Operationen. Ein ganzes Team begleitet das Mädchen auf ihrem Weg zurück in den Alltag. Doch nicht nur die medizinische Betreuung ist wichtig. Immer wieder gibt es Reaktionen auf Adiams versehrte Haut: Pflegeberaterin Liv Mahrer war am ersten Tag im Kindergarten dabei und beobachtete, wie Adiams Aussehen ihre Mitschüler erschreckte.
«Es ging darum, dass die Kinder sich in einer Zweierreihe aufstellen mussten. Das Kind, das Adiam die Hand hätte geben sollen, war zuerst irritiert und wollte die Hand nicht geben. Doch dann hat ein anderes Kind sich an dessen Platz gestellt und die Situation so aufgelöst.» Adiam fühlt sich heute wohl im Kindergarten, doch sie kommt immer wieder in Situationen wo sie angestarrt oder ausgelacht wird. Das macht sie traurig.
Ihre Mutter macht sich grosse Sorgen: «Ich habe Angst, dass sie Probleme haben wird, weil sie so anders aussieht als früher. Dabei wünsche ich ihr so fest, dass sie eine Ausbildung machen und ein glückliches Leben führen kann.» Sie ist auch besorgt, weil sie Flüchtlinge sind und sie ihre Tochter finanziell nicht unterstützen kann.