Es ist das grösste Bauprojekt, das im Kanton Luzern je realisiert wurde: Für knapp 365 Millionen Franken wird der Hochschul-Campus in Horw ausgebaut, damit er künftig Platz für gut 4000 Studierende bietet. Die Luzernerinnen und Luzerner haben am vergangenen Abstimmungssonntag die entsprechende Vorlage angenommen. Für den Bau und den Betrieb gründet der Kanton nun eine Aktiengesellschaft und überträgt dieser alle Rechte an der wertvollen Immobilie. Die Aktien bleiben zu 100 Prozent in den Händen des Kantons.
Mittel gegen Trägheit?
Stellt sich unweigerlich die Frage, weshalb die Luzerner Regierung den Weg über eine Aktiengesellschaft wählt und die Verantwortung nicht einfach selber übernimmt. Wie er dies bei den meisten sonstigen staatlichen Aufgaben tut. Man erhoffe sich von einer AG mehr Flexibilität und schnellere Reaktionsfähigkeit, sagte Finanzdirektor Reto Wyss dazu im Vorfeld zur Abstimmung. «Die öffentliche Hand ist relativ träge unterwegs. Eine Aktiengesellschaft kann eigenständig reagieren – wie ein Investor.»
Markus Müller kennt diese Argumente und weiss, woher sie kommen. Als Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Bern hört er sie immer wieder. «Das sind die bekannten Klischees, dass eine privatwirtschaftliche Aktiengesellschaft viel besser arbeitet als die Verwaltung.» Zum ersten Mal aufgetaucht sei dieses Denken in den 1990er-Jahren, als in den Schweizer Behörden das Schlagwort «New Public Management» die Runde machte.
Gewinndenken in der Verwaltung
«Man glaubte, mit dieser privatrechtlichen Form mehr Dynamik in die Verwaltung zu bringen», sagt Müller. Bund, Kantone und auch gewisse Gemeinden begannen damit, ihre Behörden auszulagern. Die bekanntesten Beispiele sind die Post, die SBB, die Swisscom oder auch die Ruag. All diese ehemaligen Behörden oder Anstalten sind mittlerweile Aktiengesellschaften.
An diesen Beispielen zeigt sich auch, was die Tücken sind, wenn staatliche Aufgaben privatrechtlich organisiert werden. Die neue Organisationsform habe zwar tatsächlich gewisse Impulse gegeben, die zu mehr Dynamik und Flexibilität führten, sagt Markus Müller. Doch: «Es schlich sich ein Gewinndenken in die staatliche Verwaltung, das man so nicht wollte. Der Staat soll in erster Linie das Gemeinwohl zum Ziel haben und nicht den Gewinn.»
Aus den Fehlern der anderen lernen
Ein gutes Beispiel dafür ist der Postauto-Skandal. Die Führungsetage griff da aus reinem Gewinnstreben zu Tricksereien, um an mehr Subventionen zu kommen. Der Politik blieb dieses Treiben lange verborgen. Auch das hängt laut Müller mit der Organisationsform zusammen. «Es gibt den Mythos, staatlichen Aktiengesellschaften könne man nicht dreinreden. Eine Aussage, die man immer wieder hört von Politikern.»
Sie stimme so nicht. «Die Verfassungen des Bundes und auch der Kantone schreiben vor, dass die Regierungen Einfluss nehmen müssen auf die Geschäfte ihrer Unternehmen.» Und genau da könne die Luzerner Regierung bei ihrem neuen Campus aus den Fehlern anderer staatlichen Aktiengesellschaften lernen, sagt der Staatsrechtler. «Er darf diese AG nicht von der Leine lassen, sondern muss sie führen.» Die rechtlichen Instrumente dafür hat der Kanton. Die Aktien bleiben zu 100 Prozent in seinen Händen und die Kantonsregierung bestimmt somit den Verwaltungsrat.