Wer in Gerra, Quartino oder San Nazzaro aussteigen will, muss im Zug den roten Halteknopf drücken. Dasselbe gilt für die Einsteiger an den jeweiligen Bahnhöfen auf der Strecke von Cadenazzo entlang des Lago Maggiore ins italienische Luino. «Wichtig ist, dass der Knopf für alle einfach erreichbar ist – auch für Menschen die im Rollstuhl sitzen», sagt SBB Sprecher Patrick Walser.
Durchfahrt spart viel Strom
Ist der Knopf gedrückt, weiss der Fahrer der S-Bahn, dass er an der nächsten Haltestelle anhalten muss. Vielfach drücke hier niemand; weder im Zug drinnen, noch draussen an der Haltestelle, so Walser weiter. Deshalb habe sich die SBB dafür entschieden, den «Halt auf Verlangen» hier zu testen.
Hauptziel des SBB-Versuchs ist es, Strom einzusparen. Denn wenn der Zug anhalten und wieder anfahren muss, braucht das mehr Energie, als wenn er einfach durchfahren kann. «Wir machen dieses Pilotprojekt, um herauszufinden wie viel Energie wir sparen können», betont der SBB-Sprecher.
Verspätungen aufholen
Erfahrung mit dem «Halt auf Verlangen» hat die Schweizerische Südostbahn. Dieses Regime gilt dort schon seit Einführung des Taktfahrplans in den 1980er-Jahren. Der grosse Nutzen von «Halt auf Verlangen» sieht SOB-Sprecher Christopher Hug aber nicht nur beim kleineren Energieverbrauch.
Am wichtigsten sei die «Verbesserung der Fahrplanstabilität», sagt Hug. Will heissen: Wenn ein Zug also bereits Verspätung hat, kann er diese besser aufholen, weil er bei der einen oder anderen Haltestelle nicht anhalten muss. «Zweitens haben wir weniger Verschleiss, zum Beispiel bei den Bremsen. Und an dritter Stelle kommt die Energieeinsparung», führt der SOB-Sprecher weiter aus.
Hunderttausende Kilowattstunden
Tatsächlich könne viel Energie gespart werden, wenn die Züge nicht an allen Haltestellen abbremsen müssten, sagt Werner Fritschi, stellvertretender Geschäftsführer der Regionalbahn Thurbo. In der Ostschweiz gibt es zwei Linien nach dem Prinzip «Halt auf Verlangen».
«Unsere Züge sind 80 Tonnen schwer. Wenn man nun einen solchen Zug von Null an beschleunigen muss, braucht das viel mehr Energie aus der Fahrleitung, als wenn er mit 40 Stundenkilometern durch den Bahnhof rollt und danach wieder anzieht», erläutert er den Vorteil.
Das ist nicht nichts!
Fritschi rechnet vor, was das «Halt auf Verlangen»-Prinzip auf der Seelinie von Romanshorn nach Schaffhausen bringt. Hier sind jeden Tag 108 Züge unterwegs. Wenn ein Zug auf jeder Fahrt einen oder zwei Bahnhöfe auslassen könne, und man das aufs Jahr hochrechne, könnten rund 160'000 Kilowattstunden an Strom eingespart werden. «Das ist nicht nichts!»
Grosses Sparpotenzial bei der SBB
160'000 Kwh entsprechen dem jährlichen Stromverbrauch von 2000 Kühlschränken. Damit spart die Regionalbahn Thurbo rund 40'000 Franken pro Jahr an Stromkosten ein.
Die SBB ihrerseits kann erst in einem Jahr sagen, wie viel Energie beim Versuch im Tessin eingespart werden konnte. Klar ist schon jetzt, dass es schweizweit ein grosses Sparpotenzial gibt. Laut SBB-Sprecher Walser werden im gesamten SBB-Netz rund zehn Prozent aller Haltestellen nicht regelmässig von Bahnkunden genutzt.