Für manche war die Sitzung im Schaffhauser Kantonsparlament am letzten Montag ein historischer Augenblick. SVP-Präsidentin Andrea Müller etwa wurde letzten Herbst in den Kantonsrat gewählt und hatte bisher noch keine Debatte im Rathaus mitgemacht. Fast schon ein wenig ehrfürchtig sei sie, aber: «Ich fühle mich wohl, aber die Atmosphäre hier ist ganz anders.» Die Aussage erstaunt nicht: Die eher sterile Ausstrahlung der Dreifach-Turnhalle Breite oder des Casinos wird wohl kaum eine Politikerin vermissen.
Die Pandemie-Standorte des Schaffhauser Kantonsparlaments
Dennoch gab bei der Rückkehr der Parlamentarier weniger das Antlitz des Schaffhauser Kantonsratssaals zu reden, sondern vielmehr die Corona-Sicherheit in einem der ältesten Parlamentssäle Europas. Die engen Platzverhältnisse in den Sitzreihen machten SP-Kantonsrat Patrick Portmann angesichts der steigenden Corona-Fallzahlen Sorgen. «Der Kantonsrat hat eine Vorbildfunktion und die kann nur bedingt wahrgenommen werden.» Das Büro des Schaffhauser Kantonsrats beschwichtigt aber: Der Schritt zurück sei gut mit den Gesundheitsbehörden des Kantons abgesprochen worden.
Heimkehr trotz steigenden Corona-Fallzahlen
Schaffhausens Rückkehr in die politische Normalität ist eine Premiere in der Deutschschweiz. Oder besser gesagt: Sie war es. Denn weitere Kantonsparlamente sind dem Beispiel gefolgt oder folgen in den nächsten Tagen und Wochen. Am Dienstag fand die Aargauer Grossratssitzung zum ersten Mal nicht mehr in der Umweltarena in Spreitenbach statt, sondern wieder im Grossratssaal in Aarau.
Diese Kantone nutzen bald wieder ihre Ratsäle
Heute Mittwoch kommt der Glarner Landrat nicht mehr im Schützenhaus, sondern im Rathaus in Glarus zusammen. Das Bündner Kantonsparlament kehrt nach der Zeit im Kongresszentrum Davos für die aktuelle Session in den Grossratssaal in Chur zurück. Nächste Woche geben der Solothurner Kantonsrat und der Baselbieter Landrat ihr Exil auf. Und übernächste Woche verlässt der Berner Grossrat die Bernexpo-Halle und sitzt wieder im Kantonsratssaal.
Nicht unerheblich bei der Entscheidungsfindung in den Kantonen dürfte die Kostenfrage gewesen sein. Das pandemiebedingte Exil geht nämlich ins Geld. Pro Sitzungstag musste etwa der Baselbieter Landrat für Miete und Technik im Congress Center in Basel 24'000 Franken bezahlen. Bei total 24 Sitzungen ist so ein Betrag von fast 600'000 Franken zusammengekommen. Und im Kanton Aargau schlug eine Sitzung in der Umweltarena jeweils mit 30'000 bis 40'000 Franken zu Buche.
Grosses Augenmerk wird in den Kantonen auf die Sicherheit der Politikerinnen gelegt. In Solothurn müssen die Parlamentarier ein Corona-Zertifikat vorweisen. Wer keines hat, sich nicht testen und impfen lässt, wird hinter eine Plexiglaswand ganz hinten im Saal verbannt. Und im Kanton Aargau können sich Politikerinnen und Politiker, denen die Platzverhältnisse im Grossrat zu eng sind, per Video zuschalten lassen.
Rathaussanierung in Freiburg
In den übrigen Deutschschweizer Kantonen stehen zeitnah keine Veränderungen an. In der gesamten Zentralschweiz finden die Sitzungen weiterhin im Exil statt, das trifft auch auf die beiden Appenzell zu. Und ebenfalls das grösste Kantonsparlament, dasjenige in Zürich, hält seine Sitzungen weiterhin nicht im Rathaus, sondern in der Halle 9 in Zürich-Oerlikon ab.
Sanierungsarbeiten verzögern Rückkehr in Freiburg
Und erst Anfang 2022 kehrt das Freiburger Parlament ins Rathaus zurück – hauptverantwortlich dafür zeigt sich aber nicht unbedingt die Corona-Pandemie. Das Freiburger Rathaus wird aktuell saniert, die Arbeiten dafür dürften erst im nächsten Jahr fertig sein.