Die Wahnsinnstat dauert gerade mal zweieinhalb Minuten: Der Amokschütze betritt mit einer selbst genähten Polizeiuniform und schwer bewaffnet das Zuger Regierungsgebäude und richtet ein Blutbad an. Im Kantonsratssaal schiesst er wild um sich und tötet drei Mitglieder der Regierung sowie elf Kantonsrätinnen und Kantonsräte. Insgesamt feuert er 90 Schüsse ab, am Schluss richtet er sich selbst.
Für den Amokschützen ist es eine Abrechnung mit den Zuger Behörden, jahrelang lag er mit ihnen im Clinch, sprach von der «Zuger Mafia».
Es ist der erste solche Amoklauf in der Schweiz, ein traumatisches Erlebnis. Das ganze Land trauert mit Zug mit. Vor dem Regierungsgebäude legen die Menschen als Zeichen der Anteilnahme Blumen nieder.
Auch der damalige Bundespräsident Moritz Leuenberger drückt den Angehörigen sein Beileid aus und sagt, dieser Anschlag sei nicht nur ein Anschlag auf die Menschen, sondern auch auf die demokratischen Institutionen.
Am selben Abend findet in der Kirche St. Oswald in Zug eine stille Andachtsfeier statt. Danach marschieren Hunderte Zugerinnen und Zuger mit brennenden Kerzen zum Landsgemeindeplatz, um ihrem Entsetzen Ausdruck zu verleihen.
Das Attentat hat das Sicherheitsgefühl grundlegend verändert
Nach dem Attentat hat sich vor allem etwas schlagartig geändert: Parlamentsgebäude in der Schweiz sind seit jenem Tag nicht mehr grundsätzlich offen, sondern grundsätzlich zu, und sie sind auch polizeilich geschützt. Das gilt auch für das Bundeshaus in Bern, vor dem noch am gleichen Tag uniformierte Polizisten installiert wurden. Auch wenn sich Politikerinnen und Politiker in der Schweiz im Vergleich zu anderen Ländern noch immer sehr frei bewegen: Das Attentat von Zug hat die Wahrnehmung von Sicherheit grundlegend verändert.
Der Amokschütze hatte jahrelang Streit mit den Zuger Behörden. Die Frage, ob die Tat hätte verhindert werden können, wurde deshalb immer wieder laut. Das Attentat war denn auch einer der Hauptgründe, weshalb vor zwölf Jahren eine Ombudsstelle geschaffen wurde. Sie dient als Brücke zwischen den Menschen und der Verwaltung, vermittelt im Streitfall. Rund 160 Fälle behandelt die Stelle jedes Jahr – das Bedürfnis, sich Gehör zu verschaffen, ist gross.
Lehren hat auch die Polizei gezogen. Die Aufarbeitung des Falls hat gezeigt, dass nicht nur ein Regierungsmitglied, nicht nur eine Amtsstelle vom späteren Amokläufer bedroht wurde – sondern auch, dass verschiedene Stellen betroffen waren. Aber man wusste nichts voneinander.
Jetzt hat man angefangen, systematisches Bedrohungsmanagement zu betreiben. Das heisst, die Polizei beurteilt auffällige Personen und spricht diese in gewissen Fällen auch präventiv an; als Massnahme, um ein Eskalieren der Situation zu verhindern.
Es ist ein grauenvolles Erwachen am 1. November 1986: Sirenen wecken die Menschen in der Region Basel, ein penetranter Gestank liegt in der Luft. Die Flammen des Grossbrandes sind weitherum zu sehen im Nachthimmel. Bis zu 60 Meter schiessen sie in die Höhe.
In einer Lagerhalle des Chemiekonzerns Sandoz bricht das Feuer kurz nach Mitternacht aus, Hunderte Tonnen Chemikalien explodieren. Später wird bekannt, dass es sich um hochgiftige Agrochemie handelt wie Pestizide, Herbizide und Quecksilberverbindungen.
Erst gegen sieben Uhr morgens ist das Feuer unter Kontrolle. Mit 25'000 Litern Wasser pro Minute löscht die Feuerwehr während Stunden den Brand. Sie schafft es zu verhindern, dass sich das Feuer auf Nebengebäude ausbreitet und bewahrt die Region vor dem GAU. Denn Sandoz lagert neben der abgebrannten Halle Phosgen, ein extrem giftiges Gas.
Die Kehrseite der Löschaktion: Das teilweise mit Chemikalien versetzte Löschwasser gelangt über die Regenwasser-Kanalisation in den Rhein und vergiftet das Gewässer. Der Rhein färbt sich rot. Zuerst sagen die Verantwortlichen von Sandoz, das sei harmlos. Doch sie täuschen sich gewaltig: Abertausende Fische sterben. Die Aufarbeitung des Chemieunfalls dauert Jahre.
Alle sechs Minuten eine Wasserprobe
Ein kühner Sprung ins kühle Wasser gehört heute zum Sommer in Basel dazu. Früher war das undenkbar – ausgerechnet der Chemieunfall von Schweizerhalle hat hier die Wende gebracht. Heute gibt es als direkte Folge der Katastrophe vom 1. November 1986 eine Rhein-Überwachungsstation ennet der Grenze im deutschen Weil am Rhein. Finanziert wird sie vom Bund und vom deutschen Bundesland Baden-Württemberg.
Alle sechs Minuten wird automatisch eine Wasserprobe entnommen. Täglich untersucht die Messstation das Wasser auf rund 400 Stoffe – darunter natürlich auch auf Stoffe der produzierenden Chemie-Industrie entlang des Rheins.
Nach Schweizerhalle wurden auch in Sachen Sicherheit Massnahmen ergriffen – auf gesetzlicher Ebene. So wurde 1991 die sogenannte Störfallverordnung beschlossen. Diese schreibt den Betrieben unter anderem vor, das Löschwasser bei einem Brand in Rückhaltebecken zu sammeln. Auf dem Areal von Schweizerhalle stehen zehn solche Becken à 1500 Kubikmeter bereit für den Ernstfall. Zudem legten das Gewässerschutzgesetz von 1991 und die dazugehörige Verordnung Grenzwerte für Schadstoffe in Abwässern verschiedener Branchen fest.
Der Chemieunfall wurde zusammen mit demjenigen von Seveso im Norden Italiens 1976, bei dem hochgiftiges Dioxin freigesetzt wurde, zum Weckruf für die Politik aber auch für die Branche und ihre Firmen: Heute gibt es Feuermelder in Chemielagern, giftstoffabscheidende Kläranlagen, Wärmerückgewinnung und Notfallkonzepte. Ohne diese Massnahmen ist die Herstellung von chemischen Produkten heute nicht mehr denkbar.
Es sind 45 junge Männer und Frauen, die an diesem Tag mit acht Guides in den Saxetbach bei Wilderswil im Berner Oberland steigen – auf der Suche nach Spass und Nervenkitzel. Canyoning ist zu diesem Zeitpunkt eine relativ neue Trendsportart: Man erkundet dabei verborgene Schluchten, seilt sich ab und rutscht Wasserfälle hinunter.
Doch die Gruppe wird bei ihrer Tour von einer Sturzwelle überrascht. 21 junge Menschen im Alter zwischen 19 und 31 Jahren sterben, die meisten Todesopfer stammen aus Australien.
Später wird man herausfinden, dass die Strömung anschwillt, weil sich weiter oben ein Gewitter entladen hat. Das Wasser reisst Steine und Treibholz mit sich.
Im Nachgang wird Kritik laut, die Tourenführer seien von der lokalen Bevölkerung gewarnt worden, wegen des Gewitters nicht ins Bachbett zu steigen.
2001 werden sechs Verantwortliche der Adventure-Agentur, die das Canyoning im Saxetbach durchgeführt hat, von einem Gericht der fahrlässigen Tötung für schuldig befunden und zu bedingten Gefängnis- und Geldstrafen verurteilt. Das Unternehmen habe die Tour durchgeführt, obwohl die Wettersituation nicht kontrolliert worden sei. Das Outdoor-Unternehmen gibt es zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr.
Neue Sicherheitsstandards für Canyoning-Anbieter
Das Unglück war für die Outdoor-Branche einschneidend. Es führte zur Gründung des Verbands Swiss Outdoor Association (SOA), in dem heute fast alle Anbieter zusammengeschlossen sind. 2014 trat das Bundesgesetz über Risikoaktivitäten in Kraft, das erstmals Standards im Bereich Risikosportarten festlegte, etwa in Bezug auf Ausrüstung, Ausbildung, Notfallszenarien.
Heute müssen sich Canyoning-Anbieter von einer Zertifizierungsstelle prüfen lassen und so das Einhalten von Sicherheits- und Qualitätsstandards garantieren. Ab dem ersten Franken, der mit dem Führen einer Canyoning-Tour verdient wird, muss der Betrieb eine Bewilligung vom Kanton haben. Auch Handyempfang und Wetterdaten erleichtern heute die Arbeit der Guides in den Schluchten.
Wer eine Tour bei einem Anbieter mit einer Bewilligung bucht, hat heute eine relativ hohe Sicherheit.
Laut Christof Kaufmann von der Beratungsstelle für Unfallverhütung ist Canyoning heute dank dieser Massnahmen viel sicherer als vor 25 Jahren: «Wer eine Tour bei einem Anbieter mit einer Bewilligung bucht, hat heute eine relativ hohe Sicherheit. Wenn man hingegen privat auf eine Tour geht, dann kann Canyoning durchaus gefährlich werden.»
Pro Jahr gebe es durchschnittlich immer noch einen Todesfall im Canyoning. Häufig seien dies Fälle, in denen Private alleine, ohne Guides unterwegs seien.
Verbesserte Hinterbliebenenbetreuung
Als Folge des Canyoning-Unglücks wurde auch die Betreuung der Hinterbliebenen im Kanton Bern professionalisiert. Als im Sommer 1999 Angehörige der Verunglückten aus aller Welt ins kleine Dorf Wilderswil kamen, war man nicht vorbereitet.
Der Armeeseelsorger und Belper Pfarrer Bernhard Stähli organisierte zusammen mit weiteren Seelsorgern spontan die Betreuung der Angehörigen. Kurz darauf organisierte Stähli den ersten Kurs für Notfallseelsorger und baute später zusammen mit dem Bevölkerungsschutz des Kantons Bern ein Care-Team auf. Dieses Team leistet heute psychologische und seelsorgerische Erste Hilfe, nicht nur bei Katastrophen, sondern auch Unfällen, Bränden oder Suiziden.
In der Nacht vom 22. auf den 23. August sucht eine verheerende Naturkatastrophe die Gemeinde Brienz BE heim. Nach tagelangen Regenfällen treten der Trachtbach und der Glyssibach über die Ufer.
Zwei Menschen verlieren durch einen Murgang in den Trümmern ihres Hauses ihr Leben. Eine weitere Person wird schwer verletzt. Rund 30 Häuser werden völlig zerstört oder schwer beschädigt und fast 100 Einwohnerinnen und Einwohner von Brienz verlieren ihr Zuhause.
Die Niederschläge in diesen Tagen brechen Rekorde. Weil es den ganzen August über viel geregnet hat, ist der Boden gesättigt und vermag kaum noch Wasser aufzunehmen. Bäche und Flüsse werden zu reissenden Strömen, Hänge kommen ins Rutschen, Dämme brechen. Tausende Menschen müssen evakuiert werden, verschiedene Gemeinden sind tagelang von der Aussenwelt abgeschnitten.
Die Hochwasser 2005 verursachen schweizweit rund drei Milliarden Franken Schäden, die meisten davon im Kanton Bern mit 800 Millionen Franken Schäden. In den Fluten und durch Rutschungen kommen in jenen Tagen sechs Menschen ums Leben.
Milliarden-Investitionen in den Hochwasserschutz
Bund, Kantone und Gemeinden haben seit dem Hochwasser von 2005 rund 4.5 Milliarden Franken in den Hochwasserschutz investiert, etwa in den Bau von Dämmen oder Entlastungsstollen. Ausserdem hat man neue, detailliertere Gefahrenkarten angelegt. Heute weiss man besser, welche Gebiete besonders hochwasser- oder lawinengefährdet sind und kann die Abflusskapazitäten von Flüssen und Seen besser vorhersagen. In der Meteorologie wurden neue Messstationen aufgebaut und bessere Vorhersagesysteme entwickelt.
In Brienz konnten viele Häuser nicht mehr aufgebaut werden, weil sie sich nach den neuen Erkenntnissen in der Gefahrenzone befanden. Lange Zeit hatte man zu nahe an die Wildbäche gebaut. Am Glyssibach mussten mehrere Häuser einem Abflusskorridor mit viereinhalb Meter hohen Dämmen weichen. Betroffene Familien bauten ihre Häuser zum Teil weiter entfernt wieder auf.
Eine wichtige Massnahme war die Einführung eines einheitlichen Warnsystems. Heute arbeiten die verschiedenen Fachstellen des Bundes und die Kantone viel enger zusammen. Im Ernstfall gibt es Briefings, um die kantonalen Behörden und die Einsatzkräfte zu beraten. Personell wurden viele Fachbereiche aufgestockt. 2018 haben die Behörden die Alarmierungsapp Alertswiss lanciert, die mittlerweile 2.2 Millionen Nutzerinnen und Nutzer hat.
Es sind Böen, wie man sie vorher in der Schweiz nie erlebt hat. Mit bis zu 230 Kilometer pro Stunde fegt Orkan Lothar über die Schweiz, knickt ganze Wälder um wie Zündhölzer. Schweizweit fällt der Orkan etwa zehn Millionen Bäume. In den am stärksten betroffenen Kantonen Bern, Freiburg, Luzern und Nidwalden liegt das Vier- bis Zehnfache der jährlichen Holznutzung am Boden.
Damit vernichtet «Lothar» Wald im Wert von rund 750 Millionen Franken, der während Jahrzehnten herangewachsen und gepflegt worden ist. Der anschliessende Borkenkäferbefall führt zu weiteren Schäden.
Auch ausserhalb des Waldes hinterlässt «Lothar» eine Schneise der Zerstörung: geknickte Strommasten, blockierte Bahnlinien, gesperrte Autobahnen und Strassen, abgedeckte Häuser und Dächer. Die Gebäudeschäden belaufen sich auf 600 Millionen Franken Schaden.
14 Menschen kommen im Sturm ums Leben, einige werden von herabstürzenden Bäumen erschlagen. Im Wallis bei Crans Montana sterben zwei Menschen, weil eine Gondel in die Tiefe stürzt. Noch Wochen nach dem Sturm sterben weitere 15 Personen bei den Aufräumarbeiten in den Wäldern – etwa in Privatwäldern, wo wenig geschulte Waldbesitzer bei den Holzbergungsarbeiten von Baumstämmen erschlagen werden.
Verbesserte Sicherheit bei den Räumungsarbeiten
Laut Bruno Röösli, Leiter der Abteilung Wald des Kantons Luzern, sind im Kanton Luzern viele kleine Waldflächen im Besitz von Privaten. Bei einem Ereignis wie «Lothar» seien diese zum Teil überfordert gewesen.
In der Folge haben sich die Waldeigentümerinnen und Waldeigentümer teilweise zu regionalen Waldorganisationen zusammengeschlossen, um die Zusammenarbeit und die Arbeitssicherheit zu verbessern.
Die neuen Waldorganisationen im Kanton Luzern stellen professionelle Betriebsförster an und bewältigen die Waldbewirtschaftung und den Holzabsatz gemeinsam. Die Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer erhalten Beratung und Zugang zu Fachwissen, ausserdem sei eine gemeinsame Bewirtschaftung effizienter und günstiger, so Ruedi Gerber, Präsident von «Wald Luzern».
Positive Auswirkungen auf das Ökosystem
Während der wirtschaftliche Schaden gross war, hat die Natur von «Lothar» profitiert. Eine Studie der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) zeigte, dass die Artenvielfalt auf Sturmflächen deutlich höher ist als im intakten Wald. Der Hauptgrund dafür ist, dass mehr Licht den Waldboden erreicht.
Die WSL-Forscher fanden auf Windwurfflächen im Schnitt doppelt so viele Insektenarten. Ausserdem wächst auf den Sturmflächen heute eine neue, stabile Waldgeneration, sagt Bruno Röösli. Heute gebe es mehr Mischwälder aus Laub- und Nadelbäumen, welche resistenter seien als die Fichtenwälder, die von «Lothar» hauptsächlich betroffen waren.