Es thront auf einer kleinen Anhöhe ausserhalb der Stadt Solothurn: das Schloss Waldegg. Das prächtige Gebäude ist umgeben von einer grossen Grünanlage mit Allee. Seit 1963 gehört das Schloss dem Kanton Solothurn. Im Ostflügel des Schlosses wohnen aber bis heute Nachkommen der adligen Besitzer.
Die Bewohner bezahlen für ihren herrschaftlichen Wohnsitz dem Kanton Solothurn einen Mietzins. Diese betrug im letzten Jahr 3923 Franken. Allerdings nicht, wie man zunächst denken könnte, pro Monat, sondern pro Jahr. Pro Monat entrichten die Mieter demnach 327 Franken an den Kanton. Kosten für Heizung und Wasser müssen sie selber berappen, an den Unterhalt müssen die Mieter dagegen nichts bezahlen.
Dies sei ein Affront gegenüber dem Steuerzahler, findet die Solothurner SVP. Gerade in Zeiten von steigenden Mietzinsen müssten auch die Nachkommen der Schlossbesitzer eine marktübliche Miete zahlen, fordert die SVP in einem Vorstoss im Kantonsparlament.
Nur 600'000 Franken Kaufpreis
Das spezielle Mietverhältnis geht auf die 1960er-Jahre zurück. Damals verkaufte die Besitzerfamilie das Anwesen dem Kanton Solothurn. Der Kanton zahlte für die 200'000 Quadratmeter grosse Anlage mit Schloss, Nebengebäuden, zwei Kapellen, Allee, Landwirtschaftsland und Bauernhof nur 600'000 Franken. Dafür ging er eine Reihe von Verpflichtungen ein, wie auch im TV-Bericht von damals erwähnt wird.
Zu den Pflichten des Kantons gehört, dass er eine Stiftung gründete, der die Anlage seither gehört. Weiter unterhält der Kanton die Gebäude auf eigene Kosten. Im Schloss wurde ein Museum eingerichtet. Und: Den Nachkommen der Eigentümer wird das Mietrecht in der Wohnung im ersten Stock des Ostflügels zugestanden.
Im Vertrag von 1963 wurde auch die Miete für die Wohnung festgelegt: 1000 Franken pro Jahr. Die Miete wurde auf dem Stand von 1963 indexiert, sodass sie seither wegen der Teuerung auf 3923 Franken pro Jahr gestiegen ist.
Ein interessantes Detail aus dem Vertrag ist, dass nur Nachkommen der Schlossbesitzer die Wohnung mieten dürfen. Eine Untermiete ist verboten. Die Bewohner der Wohnung müssen ausserdem den Familiennamen Von Sury tragen, also denjenigen der letzten Schlossbesitzer.
Vertrag von 1963 gilt weiter
Einzusehen sind diese Vertragsdetails im damaligen Schenkungs- und Kaufvertrag , den der Kanton Solothurn mit den Besitzern eingegangen ist. Die Solothurner Regierung verweist in ihrer Antwort auf den SVP-Vorstoss auf diesen Vertrag und schreibt, dieser sei bis heute gültig.
«Der Vertrag aus dem Jahre 1963 ist aufgrund des Prinzips der Vertragstreue ‹Pacta sunt servanda› nach wie vor verbindlich», schreibt die Regierung. Ausserdem hält sie auch inhaltlich nichts von der Forderung der Volkspartei.
Denn der Mietzins sei bereits damals nicht marktüblich gewesen. Der Kanton habe in den 1960er-Jahren aber auch nicht den marktüblichen Preis für das Anwesen und die Gebäude bezahlt. Dafür ist das Schloss heute – grösstenteils – der Öffentlichkeit zugänglich und kann für Anlässe gemietet werden.
Die Regierung lehnt den Vorstoss deswegen ab. Am Zug ist nun das Kantonsparlament, das sich mit dem niedrigen Mietzins für die Nachkommen der Schlossbesitzer auseinandersetzen muss.