Sie hat viele Kritiker, die Europaallee mit ihren imposanten Bauten und teuren Wohnungen. Das neue Stadtquartier habe keine Seele, heisst es. Zu viel Luxus, zu wenig Leben, Normalverdienende würden verdrängt.
Schmähpreis für den 43'000-Kilometer-Transport
Am Dienstag stand ein weiterer Aspekt der Europaallee in der Kritik: Für die Hausfassade einer der vielen Grossüberbauungen hat die SBB Natursteine verbaut, die aus Deutschland stammen und dann in China verarbeitet wurden. Insgesamt legten die Steine einen Weg von 43'000 Kilometern zurück. Wegen dieses Transports überreichten Umweltschützer heute den SBB-Verantwortlichen einen Schmähpreis.
Es ist nicht einsichtig, dass Steine einmal um die Welt gefahren werden, um dann in Zürich an einer Fassade zu hängen.
Es habe letztes Jahr wohl keinen absurderen Materialtransport gegeben als jenen für die chinesische Hausfassade in Zürich, sagt Jon Pult von der Umweltorganisation Alpen-Initaitive: «Es ist wirklich nicht einsichtig, dass ein Staatsbetrieb eine Fassade erstellt, für die Steine von Deutschland nach China und damit mehr als einmal um die Welt gefahren werden müssen, um dann in Zürich an einer Fassade zu hängen.»
SBB relativiert und verweist aufs Gesetz
Andreas Steiger, Projektleiter Europaallee von der SBB, kann den Ärger der Umweltschützer zum Teil verstehen. Er gibt aber zu bedenken, dass das Haus rund 80 Jahre stehen bleiben soll. Da mache der CO2-Ausstoss beim Transport der Fassade nur noch einen sehr kleinen Teil der gesamten Nachhaltigkeitsbilanz aus.
Wir sind gesetzlich verpflichtet, bei gleichwertiger Qualität das wirtschaftlich günstigste Angebot zu wählen.
Ausserdem war das ausländische Angebot laut Steiger punkto Qualität gleich gut gewesen wie die Schweizer Angebote – einfach günstiger: «Wir sind nach dem Beschaffungsrecht dazu verpflichtet, das wirtschaftlich günstigste Angebot zu wählen. Wenn die Qualität gleich gut ist, was hier der Fall ist, können wir nicht einfach ein teureres Angebot berücksichtigen.»
Revision des Beschaffungswesens in Arbeit
Der Bund schreibt also vor: Am Ende gewinnt das günstigste Angebot. Die Schweizer Baubranche fühlt sich deswegen im Nachteil. Es sei schwierig, ausländische Anbieter zu unterbieten, kritisiert Fabio Rea vom Schweizerischen Fachverband der Fassadenbauer: «Wir prangern das schon lange an.» Nötig seien jetzt Rahmenbedingungen, um kompetitiv sein zu können.
Wir brauchen jetzt Rahmenbedingungen, um wettbewerbsfähig sein zu können.
Tatsächlich will der Bundesrat nun die Vergabekriterien bei öffentlichen Ausschreibungen ändern. Es soll nicht mehr einfach der günstigste Preis ausschlaggebend sein. Dafür sollen Kriterien wie Nachhaltigkeit oder die Qualität stärker gewichtet werden.
Der Nationalrat hat sich bereits im Juni dafür ausgesprochen. Nun kommt die Totalrevision des Beschaffungswesens in den Ständerat. Das sei ein wichtiger Schritt, um gegen ausländische Dumping-Anbieter bestehen zu können, heisst es beim Schweizer Baumeisterverband.
SBB bezweifelt Wirkung
Projektleiter Steiger von der SBB gibt aber zu bedenken, dass die ausländische Konkurrenz auch mit veränderten Kriterien nicht zwingend ausgeschaltet werde. Gerade China habe in Sachen Qualität und Nachhaltigkeit in den letzten Jahren sehr zugelegt: «Es ist ein Fakt, dass die Chinesen weltweit die grössten Fassadenbauer sind. Das zu ändern, steht nicht in unserer Macht.» Deshalb ist also nicht ausgeschlossen, dass die SBB auch bei ihrem nächsten Fassadenbau eine «Chinesische Mauer» bestellt.