Ein Kaiserschnitt ohne vollständige Betäubung der Frau ist keine Seltenheit. Darüber berichtet die New York Times in einer Fallstudie. Das verursacht der Frau grosse Schmerzen und löst Angst aus. Offenbar kommen solche Fälle auch in der Schweiz vor.
Laut Daniel Surbek, Chefarzt Geburtshilfe am Inselspital in Bern, passiert es auch hierzulande, dass die Rückenmarksnarkose den Unterleib nicht vollständig betäubt. «Bei fünf bis zehn Prozent der Kaiserschnitte kommt das vor – wenn man auch jene Anästhesien dazuzählt, bei denen von einer vaginalen Geburt auf einen Kaiserschnitt gewechselt wurde.»
Bei korrektem Anlegen einer Spinalanästhesie während eines geplanten Kaiserschnitts seien die Prozentsätze deutlich kleiner. Es komme aber vor, dass die Wirbelfortsätze einer Frau etwas speziell geformt seien und die Anästhesienadel deshalb nicht optimal zum Rückenmark gelange. «Dann ist die Wirksamkeit nicht genügend.»
Trotz Schmerzen weitermachen, ist Gewalt
Monika Di Benedetto ist Präsidentin des Vereins Gewaltfreie Geburtshilfe, der für dieses Thema sensibilisieren und die Kommunikation zwischen Eltern und Fachpersonal fördern will. Auch sie hat von Frauen aus der Schweiz gehört, die einen Kaiserschnitt ohne vollständige Betäubung erleben mussten.
«Es ist nicht gerade an der Tagesordnung, aber es kommt vor», so Di Benedetto. «Die Narkose verteilt sich manchmal nicht richtig. Oder man spürt es noch auf der einen Seite.» So etwas gebe es tatsächlich.
Einfach weiter operieren – das ist laut Di Benedetto ein No-Go: «Wenn man nicht auf die Frau hört, die sagt, sie spüre noch etwas, dann ist das Gewalt.» Ohne richtige Betäubung seien die Schmerzen während eines Kaiserschnitts für eine Frau massiv. Da sei eine Vollnarkose – trotz ihrer Risiken – die bessere Variante.
Dass Frauen auch aus der Schweiz berichten, es sei trotz Schmerzen weiter operiert worden, überrascht Surbek. «Es kann wirklich sehr traumatisierend sein für die Frau, wenn sie während eines Kaiserschnitts starke Schmerzen empfindet. Umso mehr weiss man, wie wichtig eine gute Anästhesie ist.» Die offizielle Empfehlung in der Schweiz laute, dass ein Kaiserschnitt schmerzfrei durchgeführt werden müsse.
Frauen sollten sich wehren
Auf keinen Fall würde Surbek einer Frau sagen, sie solle tapfer sein und die Zähne zusammenbeissen. «Man weiss, dass ein Kaiserschnitt ohne vollständige Betäubung enorme Schmerzen verursacht.»
Es werde deshalb immer zuerst die Empfindlichkeit der unteren Körperhälfte getestet. «Wenn die Frau dort noch etwas spürt, muss entweder gewartet werden, bis die Narkose besser wirkt, oder es muss auf eine andere Art von Anästhesie umgestellt werden – zum Beispiel auf eine Vollnarkose.» Wenn der Test unauffällig sei, die Frau aber beim ersten Schnitt Schmerzen empfinde, sollte sie das laut Surbek unbedingt sofort sagen. «Denn wenn später die Gebärmutter aufgeschnitten wird, ist das noch um ein Vielfaches schmerzhafter.»
Es sei eigentlich üblich, dass dann entweder die Rückenmarksanästhesie optimiert oder auf eine Vollnarkose umgestellt werde. «Aber leider gibt es Notfallsituationen, in denen es trotzdem zu einem schlechten Erlebnis kommt.»