Für die künftige Direktorin des Bundesamtes für Gesundheit (BAG), Anne Lévy, besteht ein halbes Jahr vor Amtsantritt kein Zweifel. «Klar ist, dass man die Digitalisierung angehen muss.» Die Strategie dazu ist vorhanden.
Sie heisst «Gesundheit 2030». Bisher nicht bekannt war, dass das BAG seine Kräfte im Bereich der Digitalisierung bereits auf Anfang April gebündelt und eine neue Abteilung für Digitale Transformation geschaffen hat.
Gesundheitsexperte Alfred Angerer sagt dazu, das sei «auf jeden Fall ein gutes Zeichen». Doch Taten müssten nun folgen. Er ist Professor für Gesundheitsökonomie an der ZHAW. Er beobachtet, wie digital das Gesundheitswesen funktioniert. Vor wenigen Monaten noch hat er der Schweiz ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Es brauche auf allen Ebenen mehr Verständnis für die digitalen Möglichkeiten, schloss seine Studie.
E-Patientendossier soll bald kommen
Wenig später informierte der Bund, dass es Verzögerungen beim schweizweiten Einführen des elektronischen Patientendossiers geben werde. Nun schreibt das BAG allerdings: «Die aktuelle Krise konfrontiert uns auf allen Ebenen mit den Herausforderungen der digitalen Transformation.» Die Arbeiten am elektronischen Dossier würden vorangetrieben – und noch mehr.
Dass der Corona-Ausnahmezustand die Digitalisierung beschleunigt, sieht auch Angerer: «Hätten Sie mich vor vier Wochen gefragt, hätte ich gesagt, es gehe langsam, im Schneckentempo voran.» Nun laufe alles schneller.
Das zeigt auch ein Blick in die Praxis: Da sind zum Beispiel die medizinischen Laboratorien. Sie analysieren die Covid-19-Tests und geben die Resultate weiter. Bei deren Verband sagt Martin Risch, der selbst einem grösseren Privatlabor vorsteht, der Fax sei lange das Kommunikationsmittel für Labor, Ärztinnen und Behörden gewesen. Nun seien viele auf ein einheitliches Datenaustauschformat umgeschwenkt. «Diese Initiative wurde vor mehreren Jahren angestossen.» Nun werde vermehrt davon Gebrauch gemacht.
Das Wichtigste ist, die Datensicherheit und den Datenschutz zu gewährleisten.
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In den Arztpraxen ist die Digitalisierung seit Jahren ein Thema, gerade weil viele ein Um- und Aufrüsten vor sich hergeschoben haben. Nun mahnt Pius Bürki vom Verband der Haus- und Kinderärzte: «Das Wichtigste ist, die Datensicherheit und den Datenschutz zu gewährleisten.» Darauf müssten sich die Praxen nun vorbereiten und sich um ihre IT-Sicherheit kümmern.
Die aktuelle, tägliche Arbeit von Ärztinnen und Ärzten habe sich aber bereits verändert, in dem sie etwa Patientinnen und Patienten über Telefon oder Video beraten. Noch im letzten Jahr wollte nur die Hälfte der Menschen in der Schweiz diese Art von medizinischer Beratung, weiss Angerer: «Da wird sich vieles verändern, weil die Leute dies nun erstmals testen, mit den Ärzten Videochats machen und dabei merken, oh, das funktioniert ja ganz gut.»
Die Beispiele aus den Laboren und die Praxen zeigen: Die Krise beschleunigt die Digitalisierung im Gesundheitswesen. Doch tut sie das auch nachhaltig? Hier gehen die Einschätzungen auseinander. Einig sind sich die Befragten, dass ein Umdenken nur dann stattfinden kann, wenn die Sicherheit und der Schutz der sensiblen Daten von Patientinnen und Patienten gewahrt ist.