Wenn sich Albert Gjukaj ein Paar verschmutzter Lederschuhe vornimmt, dauert es etwa eine halbe Stunde. Dann legt er das Baumwolltuch weg – und sein Gesicht spiegelt nicht nur in den Schuhen, sondern auch in deren Sohlen.
Klar, das mit den blankpolierten Sohlen sei eigentlich nicht nötig, gibt der 39-jährige Luzerner zu. Der Effekt verschwinde ja wieder, sobald man die Schuhe einmal getragen habe. «Aber ich mache es trotzdem», sagt er. «Weil ich es mag. Und weil ich es kann.»
Schuhputz-Wettkampf an der Weltspitze
Schuhe putzen, das kann Schuhmacher Albert Gjukaj zweifellos. Und zwar so gut, dass er am Samstag in London neben zwei weiteren Finalisten aus Grossbritannien bzw. Japan antritt zu den «World Championships of Shoe Shining» – zur Schuhputz-Weltmeisterschaft, die mehrere Hersteller von Luxusschuhen gemeinsam ausrichten. Für Gjukaj ist klar: «Ich will den Titel unbedingt gewinnen.»
Klar ist auch: Die Schuhputz-WM hat wenig zu tun mit der Arbeit jener Schuhputzer, die in vielen Ländern auf Strassen und Plätzen ihre Dienste anbieten und das verschmutzte Schuhwerk ihrer Kundschaft mit Bürste und Schuhcrème aufmöbeln.
Der WM-Schuh ist von der eleganten Sorte
Denn es ist ein ziemlich edler Treter, an dem sich die drei Finalisten in London messen: Jeder von ihnen erhält einen dunklen, rahmengenähten Oxford-Schuh, den sie während 20 Minuten mit Wachs und Baumwolltuch bearbeiten können.
Wobei das Geheimnis darin bestehe, dass das Wachs mit den Fingern ins Leder eingearbeitet werde, sagt Gjukaj. «Mehrmals eine Schicht Wachs, hauchdünn, hin und wieder einen Tropfen Wasser. Und dann fein polieren, mit Fingerspitzengefühl – und dann ist auf einmal der Glanz da.»
Mit Fingerspitzengefühl polieren – und dann ist auf einmal der Glanz da.
Gjukaj hat lange geübt, bis er so weit war. Stundenlang habe er zu Beginn poliert, und der Schuh sei dennoch matt geblieben. «Ich habe weiter probiert, bis es geklappt hat», sagt er.
Eine klassische Ausbildung hat er nicht
Es ist nicht das einzige, was der 39-Jährige sich selbst beigebracht hat. Eine klassische Schuhmacherlehre hat er nämlich nie absolviert, auch wenn ihn dies als Jugendlichen interessiert hätte.
«Der Beruf sah nach einem aussterbenden Gewerbe aus, darum hielt ich es für klüger, eine Ausbildung als Automechaniker zu machen», sagt er. Dennoch zog es ihn bald wieder weg von den Motoren – hin zu den Schuhen.
Gjukaj machte Praktika in Zürcher Schuhmachereien. Ging dann in die USA und nach London, liess sich Rahmennähung und Besohlung beibringen. Schaute sich unzählige Tutorial-Videos an. Experimentierte.
Kundschaft schickt ihre Treter auch aus Übersee
Heute führt er mit seinem Geschäftspartner Leo Grüter eine Schuhmacherei in Luzern, verkauft rahmengenähte Herrenschuhe, fertigt selber Massschuhe an, repariert oder färbt neu ein. Der Kundenkreis geht weit über die Region hinaus: «Wir haben Kunden aus New York, die uns ihre Schuhe zur Reparatur schicken, auch aus Brasilien oder Panama», sagt Gjukaj.
Schuhe sind für den 39-Jährigen bis heute mehr als nur ein Kleidungsstück – sie sind Ausdruck einer Persönlichkeit. «Nicht viele Menschen leisten sich heute noch hochwertige Schuhe, die fast ein ganzes Leben halten», bedauert Gjukaj. «Aber wenn ich einer solchen Person begegne, habe ich sofort höchste Achtung vor ihr, und ich bin sicher: Dieser Mensch ist absolut vertrauenswürdig.»
Umso besser natürlich, wenn die Schuhe dann auch noch blank poliert sind.