Auch wenn es ihn schmerze: Manchmal sei es leider nötig, einen Luchs, einen Wolf oder einen Bären zu töten. Das sagt kein Schafzüchter, sondern Urs Breitenmoser, Raubtierspezialist bei der Fachstelle KORA. Er erforscht mit seinem Team im Auftrag des Bundes die Ausbreitung der grossen Raubtiere in der Schweiz. «Wenn solche Tierarten mit dem Menschen zusammenleben, muss man einen Kompromiss finden», sagt Breitenmoser.
Das Bundesamt für Umwelt nehme mit dem Beschluss, zwei junge Wölfe aus dem Calanda-Rudel zu töten, die Ängste in der lokalen Bevölkerung ernst. Breitenmoser ist überzeugt, dass der Entscheid des Bundes sorgfältig abgewogen ist.
Vorbilder Schweden und Norwegen
Ausserdem stehe die Schweiz nicht alleine da, sagt der Raubtierspezialist. «Auch in Schweden und Norwegen wurden – in ähnlichen Situationen wie hier – dreiste oder gar aufdringliche Wölfe abgeschossen.»
Ganz anders sieht das Gabor von Bethlenfalvy, Grossraubtier-Experte beim WWF. «Der Entscheid ist nicht überlegt, sondern ein absoluter Schnellschuss.» Es sei normal, dass Wölfe in Dörfern oder gar Städten gesehen würden. Das lasse sich in vielen anderen Ländern beobachten, sagt von Bethlenfalvy.
«Abschuss nicht gerechtfertigt»
Als Notlösung sei ein Abschuss zwar vertretbar, aber derzeit sei die Situation rund um das Calanda-Rudel unbedenklich, so der WWF-Vertreter. «Gemäss den heutigen Fakten gibt es kein problematisches Verhalten der Wölfe, das einen Abschuss rechtfertigen würde.»
Der WWF-Experte widerspricht damit dem KORA-Fachmann. Einig sind sich die beiden Naturschützer aber in einem Punkt: Der geplante Abschuss von zwei jungen Wölfen am Calanda sei vorerst nur ein Versuch. Noch sei offen, ob das Rudel dadurch wirklich scheuer vor Menschen werde.