In der Schweiz sterben jedes Jahr Dutzende Menschen, weil es an rettenden Spenderorganen fehlt. Derzeit warten über 1350 Personen auf ein passendes Organ. Zwischen Anfang September und Mitte Oktober wurden aber nur vier Spender erfasst, wie die Stiftung Swisstransplant auf ihrer Webseite schreibt.
Das sei «ein trauriger Negativrekord», hält die Organisation fest. Franz Immer, Facharzt für Herzchirurgie und Direktor von Swisstransplant, kann sich diese Entwicklung nicht wirklich erklären. «Es ist so, dass wir in tiefen Spendermonaten immer etwa sechs bis acht Spender haben. Es ist ein Novum, dass über sechs Wochen nur gerade vier Spender gemeldet werden», sagt er gegenüber SRF.
Potenzial nicht ausgeschöpft
Eine Erhebung aus dem Jahr 2012 ergab, dass auf Schweizer Intensivstationen jedes Jahr rund 300 Menschen den Hirntod erleiden. Der Swisstransplant-Direktor geht davon aus, dass eine gleich hohe Anzahl auf anderen Spitalstationen verstirbt. «Damit wäre das Potenzial an Organspendern in der Schweiz durchaus vergleichbar ist mit dem unserer Nachbarländer.»
Die Liste derer, die auf ein Spenderorgan angewiesen sind, wird derweil immer länger – und damit steigt auch die Mortalitätsrate. «Wir rechnen damit, dass nach diesem Zeitfenster mit diesen tiefen Spenderzahlen jeden zweiten Tag ein Mensch stirbt, weil das lebensrettende Organ nicht zeitgerecht gefunden und zugeteilt werden konnte», erklärt der Herzchirurg.
Grosse Unterschiede von Spital zu Spital
Darüber hinaus nehmen auch die Fälle, in denen Angehörige stellvertretend für den Verstorbenen eine Organspende ablehnen, zu. «Es ist in der Tat so, dass die Ablehnungsrate von rund 30 bis 40 Prozent im Jahr 2008 auf aktuell 60 Prozent angestiegen ist», weiss Immer. Er stellt dabei grosse Unterschiede fest.
«Es gibt Spitäler mit einer Ablehnungsrate von 20 Prozent, andere in unmittelbarer Nähe haben eine Ablehnungsrate von gegen 90 Prozent.» Wesentlich dafür, ob es zu einer Zustimmung oder Ablehnung einer Organspende komme, sei die Art, wie die Angehörigen darüber informiert würden, glaubt Immer.
Mehr Organe durch Systemwechsel?
Ein Wechsel von der in der Schweiz geltenden Zustimmungslösung zum System der Widerspruchslösung würde gemäss Swisstransplant zusätzliche Sicherheit bringen. «Es geht darum, dass sich mit der Widerspruchslösung jene Menschen, die nicht spenden wollen, in ein Register eintragen lassen können», erklärt der Direktor der Stiftung.
Dieses Modell fand bisher jedoch weder im Ständerat noch in der vorberatenden Kommission des Nationalrats eine Mehrheit. Das sei schade, denn «heute wissen wir nicht, wie die Spenderkarte ausgefüllt wurde, wer spenden wollte oder eben nicht», so Immer. «Ich denke, das wäre ein wesentlicher Fortschritt.»
Ein anderer Fortschritt der Widerspruchslösung wäre laut Immer, dass die Angehörigen in einer schwierigen Situation entlastet würden. «Wenn jemand sich zeitlebens nicht gegen die Organspende geäussert hat, ist es für die Angehörigen einfacher, davon auszugehen, dass er in die Organspende einwilligen würde.»