Es gibt zwei Zustände in der Adulahütte. Entweder hat es viele Gäste, oder keine, so wie jetzt. Heftige Gewitter sind angesagt. Einzig Stefano Morosi ist unterwegs auf dem Pfad, der sich zwischen Felswänden und Abbrüchen hinaufwindet. Morosi macht den Weg bereit für den nahenden Viehauftrieb.
Morosi hat gesehen, wie die Adulahütte in den vergangenen Wochen erneuert worden ist. Viel Arbeit. «Das ist mühsam», sagt er, und: «es braucht Mut». Über 90 Jahre alt ist die Hütte. Hüttenwartin Monica Stoppani zeigt voller Stolz, was nun mit viel Freiwilligenarbeit und Geld des Nationalparkprojekts Adula neu entstanden ist: «Das sind ganz kleine Zimmer mit einem Doppelbett, die sind isoliert.»
Früher boten die Schutzhütten in den Bergen nur das Nötigste. Wenig Platz, Massenlager, Plumpsklo. «Das ist vorbei», erzählt Monica Stoppani. «Dieses Bedürfnis nach Komfort, verwöhnt zu werden, das hat sich geändert.»
Frischprodukte statt Mitgebrachtes
Zwei Studentinnen reinigen derweil Schlafräume, WCs und Böden und geniessen vor allem die Stille und die Landschaft rundum. Die angehende Psychologin Gaia Brenner erinnert sich an den Sternenhimmel, an die Milchstrasse, die hier oben zum Greifen nah scheint. Und Sportstudentin Gioia Tognola denkt an den Abend mit 15 Gästen aus vier Ländern, der mit Gitarre und Gesang geendet hat.
Das Wetter schlägt um. Gäste sind nicht in Sicht, in der Hütte wird trotzdem gearbeitet. Der Benzingenerator wird aufgefüllt, Bettwäsche gewaschen, in der Küche vorgekocht. «Früher brachte man die Suppe hoch, die Würste, das kam alles in einen Topf», erklärt Stoppani. «Der Hüttenwart kochte. Nicht mit dem Essen, das er oben hatte, sondern mit dem Essen, das ihm die Leute brachten.»
Heute wird mit Frischprodukten gearbeitet. Alles, auch der Sonntagszopf, wird selbst hergestellt. Das verbesserte Angebot ist möglich dank Haushaltsgeräten. Sie hätten eine Tiefkühltruhe, sagt Stoppani. Und eine Waschmaschine, die gehe natürlich nur mit einem Generator.
Berg bringt Menschen zusammen
Die Umsätze in den 152 SAC-Hütten stagnieren seit fünf Jahren. Mehr Komfort sowie Vorschriften bei Brandschutz, Umwelt und Hygiene erhöhen die Kosten. Höhere Preise für Übernachtungen und Verpflegung sind aber kaum durchsetzbar. Dazu kommt: Die SAC-Hütten sind dem neuen Gesamtarbeitsvertrag für das Gastgewerbe unterstellt.
«Wenn ich Festpersonal einstellen müsste, also einen Koch, jemanden für die Reinigung, könnte ich zutun. Das ist finanziell nicht machbar», erklärt Stoppani. Die Adulahütte ist keine Goldgrube. 550 Übernachtungen wurden dort im vergangenen Jahr gezählt. Für nahezu alle Sektionen ist der Betrieb der SAC-Hütten ein Verlustgeschäft.
Doch die Berghütten entziehen sich einer einfachen betriebwirtschaftlichen Logik. Unzählige Hände leisten Gratisarbeit. Der Berg bringe Menschen zusammen, sagt Monica Stoppani. Die Hütten sind Orte der Geselligkeit. Und die Gäste sind dankbar, dass es solche Orte gibt.