Zum Inhalt springen

Schweiz Als die US-Amerikaner Schaffhausen bombardierten

Am 1. April läuten in der Stadt Schaffhausen die Glocken. Denn an diesem Tag vor genau 70 Jahren wurde die Grenzstadt am Rhein von der Luftwaffe der USA angegriffen. Rund 400 Bombeneinschläge hinterliessen eine verwüstete Stadt.

Es war die Zeit des Zweiten Weltkrieges. Die Schweiz – von kriegsführenden Staaten umschlossen – versuchte ihre Neutralität und Souveränität zu wahren, ohne eine der Kriegsparteien zu brüskieren.

Doch dann, am 1. April 1944, eineinhalb Jahre vor Kriegsende, geriet die Schweiz zwischen die Fronten.

Um 10.58 Uhr feuerte die US-Luftwaffe 371 Bomben über Schaffhausen ab. 40 Sekunden dauerte das Bombardement. Danach waren 37 Menschen tot, Hunderte verletzt, über 300 obdachlos, noch mehr brotlos und verzweifelt.

Wollte die USA die Schweiz etwa bestrafen, weil die Schaffhauser SIG Neuhausen Nazi-Deutschland mit Industriegütern beliefert hatte?

Die offizielle Erklärung lautet: Nein. Schaffhausen wurde Opfer eines Navigationsfehlers der US-Air-Force. Eigentlich hätte die Bomberstaffel von Grossbritannien aus das deutsche Ludwigshafen angreifen sollen, heisst es.

Die Piloten wussten überhaupt nicht, wo sie waren.
Autor: Matthias Wipf Historiker

Auch der Historiker Matthias Wipf ist von einem Irrtum der US-Piloten überzeugt. «Es war eine völlig verunglückte Mission», sagt der Schaffhauser in «Schweiz aktuell».

Karte
Legende: Ludwigshafen und Schaffhausen liegen 214 km Luftlinie voneinander entfernt. SRF

Schon nach dem Start über England und Frankreich hätten sich die Piloten der US-Air-Force verirrt. Die Radartechnologie sei damals neu gewesen. Und: Sie habe nicht mehr funktioniert, sagt Wipf. «Die Piloten wussten überhaupt nicht, wo sie waren.» Tragischerweise hätten dann 15 Flugzeuge Schaffhausen bombardiert, so Wipf weiter.

Eine fatale Gewohnheit

Fest steht: Während des Zweiten Weltkrieges ertönte in Schaffhausen über 500 Mal der Fliegeralarm. Meistens passierte nichts – die Bevölkerung gewöhnte sich daran.

Als der Alarm dann am 1. April 1944 gegen 11 Uhr morgens wieder einmal losging, retteten sich viele Schaffhauser nicht in die Luftschutzkeller. Stattdessen liefen sie auf die Strasse, um nachzuschauen, wo die Flieger waren. «Man hat dies schon fast als ‹Schauspiel› betrachtet», sagt Wipf dazu.

Hätten sich die Leute in Sicherheit gebracht, so hätte die Anzahl Toter um ein Drittel kleiner sein können, schätzt der Historiker.

Der damalige US-Präsident, Franklin D. Roosevelt, entschuldigte sich später bei der Bevölkerung von Schaffhausen für die irrtümliche Bombardierung. Die USA zahlten der Stadt als Wiedergutmachung 40 Millionen Franken.

Und so läuten auch in diesem Jahr wieder die Glocken in der Stadt am Hochrhein – zur Erinnerung an die Tragödie vom 1. April 1944.

Meistgelesene Artikel