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Schweiz am G-20-Gipfel «Nicht nur immer das Negative sehen»

Die Schweiz nimmt im November 2020 auf Einladung von Gastgeber Saudi-Arabien am G-20-Gipfel in Riad teil. Bundespräsident Ueli Maurer spricht im Interview über die Möglichkeiten, die sich daraus für die Schweiz ergeben und die Kritik am Gastgeberland.

Ueli Maurer

Alt-Bundesrat

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Ueli Maurer ist 1950 geboren. Er erwarb das eidgenössische Buchhalterdiplom und war von 1994 bis 2008 Geschäftsführer des Zürcher Bauernverbandes. Bis Ende 2008 war er auch Präsident des Verbandes Schweizerischer Gemüseproduzenten und des Schweizer Maschinenrings. Zudem war Maurer von 1996 bis 2008 Präsident der SVP Schweiz. Von 1991 bis zu seiner Wahl in den Bundesrat war er Nationalrat. Der SVP-Politiker war von 2009 bis 2022 Bundesrat, bis 2016 Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) und danach Vorsteher des Eidgenössischen Finanzdepartements (EFD).

SRF News: Herr Bundespräsident, wie haben Sie erreicht, dass die Schweiz am G-20-Treffen in Saudi-Arabien dabei sein kann?

Ueli Maurer: Ich denke, wir haben im G-20-Bereich bei den Treffen der Finanzminister sehr gut zusammengearbeitet. Es ist für die Schweiz eine Auszeichnung, wenn sie ganz teilnehmen kann.

Was kann die Schweiz herausholen, wenn sie nächstes Jahr voll mit dabei ist?

Wichtig sind vor allem die Kontakte mit den Staatschefs der 20 wichtigsten Ländern – auch im Finanzbereich. Ich glaube, aus diesen Kontakten kann man das Schlimmste verhindern oder auch etwas für die Schweiz herausholen. In dieser Plattform dabei zu sein, ist für die Schweiz als kleines Land wichtig.

Die Schweiz befürchtet ja Steuerausfälle wegen der Steuerreform der OECD. Glauben Sie auch, dass man diesbezüglich etwas am G-20-Treffen erreichen kann?

Da bin ich jetzt seit zwei Jahren dran und überzeugt, dass wir etwas herausholen können. Es gibt auch Verbündete in diesem Bereich. Aber gerade das ist ein Thema, welches für die Schweiz ausserordentlich wichtig ist und die bisherige Teilnahme hat auch dazu geführt, dass wir jetzt ein sehr gutes Netzwerk haben, das vielleicht auch etwas zu unseren Gunsten spielen wird.

Dass das Treffen in Saudi-Arabien ist, stört eigentlich nicht.

Das Treffen findet in Saudi-Arabien statt. Hier denkt man an den Krieg in Jemen oder an den Mordfall Kashoggi. Haben Sie die Beziehungen zu Saudi-Arabien zu schnell normalisiert?

Ich glaube, es hat nicht mit Saudi-Arabien zu tun, sondern mit G-20. Dass das Treffen jetzt in Saudi-Arabien stattfindet, ist eher zufällig. Das war schon lange so vorgesehen. Aber für uns sind die G-20 wichtig. Und dass es in Saudi-Arabien ist, stört eigentlich auch nicht, weil sich alle anderen auch dort treffen.

Die Steuerpläne der OECD

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Die erste Säule der OECD-Steuerpläne sieht vor, dass internationale Grosskonzerne nicht mehr nur am Ort ihres Hauptsitzes Steuern zahlen sollen, sondern auch dort, wo der Umsatz erzielt wird. Darüber können sich vor allem grosse Länder mit vielen Konsumentinnen und Konsumenten freuen – etwa Indien, China oder Brasilien, aber auch Hochsteuerländer wie Frankreich. Unter das Regime könnten auch Schweizer Konzerne fallen: Etwa Pharmamultis wie Novartis oder Roche, die in der Schweiz nur wenige Prozent des globalen Umsatzes erzielen, hierzulande aber bis zu 40 Prozent ihrer Gewinnsteuern bezahlen.

Die zweite Säule der OECD-Pläne sieht vor, dass für Konzerne ein globaler Mindeststeuersatz gelten soll. Wenn ein Konzern weniger Steuern bezahlt, kann sein Sitzland die Differenz zum Mindeststeuersatz aufrechnen. Die Höhe des Mindeststeuersatzes ist noch offen. Was sich aber schon abzeichnet ist, dass vor allem grosse Länder von dem neuen Regime profitieren werden. Verlierer werden eher kleine Länder wie etwa die Schweiz und Irland sein, die bislang mit niedrigen Gewinnsteuern überdurchschnittlich viele internationale Konzerne angelockt haben. Der Bund rechnet mit Steuer-Mindereinnahmen in Höhe von mehreren Milliarden Franken für die Schweiz. Die neue Besteuerung soll bis Ende nächsten Jahres stehen. (petm)

Sie wurden immer wieder für Treffen mit saudi-arabischen Exponenten kritisiert. Können Sie diese Kritik nachvollziehen?

Ja, natürlich. Ich werde immer kritisiert. Aber es geht um die Interessen der Schweiz. Die Schweiz muss ein Netzwerk haben. Sie muss Verbindungen haben im Steuerbereich. Und man kann die Vorbehalte, die man gegenüber Saudi-Arabien hat, natürlich trotzdem anbringen.

Ich werde immer kritisiert. Aber es geht um die Interessen der Schweiz.

Aber ich denke, wir sollten auch das Positive sehen und nicht nur immer das Negative. Dass die Schweiz auf diesem Niveau dabei sein kann, ist für uns wichtig und richtig.

Das Gespräch führte Andy Müller.

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