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Schweiz App soll Radikalisierung verhindern

Was tun gegen die Anwerbung Jugendlicher durch Dschihadisten? Eine Genfer Sozialarbeiterin plant dazu eine App, die Jugendliche untereinander vernetzt, damit sie sich gegenseitig helfen können. Die Erwachsenen bleiben dabei aussen vor.

Jahrelang hat Mathilde Chevée als Marketingspezialistin Jugendliche für die neusten Elektro-Gadgets begeistert. Inzwischen hat sie umgesattelt und ist nun Sozialarbeiterin. Das Marketing im Sozialbereich sei kilometerweit von jenem in Technologieunternehmen entfernt, sagt sie. Das Ziel allerdings sei ganz ähnlich: «Jugendliche für etwas zu begeistern.»

Ein Handy-Bildschirm mit der App in gelb, schwarz und rot.
Legende: So oder ähnlich soll die App «Otop» dereinst aussehen. zvg

Jugendliche ernst nehmen

Die Islamisten des IS führten vor, wie Werbung für Ideen, welche Jugendliche überzeugen, auszusehen habe, sagt Chevée. «Der IS hat im Web Erfolg, weil er den Jugendlichen Verantwortung zugesteht: ‹Du bist Du – und du bist eine Kapazität des Agierens›», beschreibt sie die Botschaft des IS.

Dies stehe in völligem Gegensatz dazu, wie die meisten Erwachsenen die Jugendlichen sähen: «Die Eltern kommen zu mir und sagen ‹mein Kind kann dies nicht, mein Kind kann das nicht›.» Doch wenn man gefährdete Jugendliche erreichen wolle, müsse man sie ernst nehmen und sie als vernetzte Wesen verstehen.

«Hilfe muss cool sein»

Solch ein vernetztes Wesen sitzt neben ihr und grinst. Es ist Carlos Vasquez. Der 20-Jährige hatte bereits mit 14 Jahren Ärger mit der Justiz. Zwar gebe es zahllose Hilfsangebote, stellt er fest. Doch kein Jugendlicher gehe freiwillig dorthin und höre Erwachsenen zu, die dozierten, was man alles nicht tun sollte.

«Hilfe muss cool sein und Spass machen», sagt Vasquez. Der frühere Problemjugendliche arbeitet inzwischen mit Chevée zusammen und will selbst Sozialarbeiter werden. Er habe die Erfahrung gemacht, dass ihm die Jugendlichen besser zuhörten, wenn er als Jugendlicher mit ihnen rede. Denn sie wüssten, dass er denselben Weg auch gehen musste, erzählt Vasquez.

Jugendliche kümmern sich um Jugendliche

Chevée ging das Bedürfnis nach einem coolen Hilfsangebot wie ein kommerzielles Projekt an: Sie versammlte ihr altes Team und führte eine Marktstudie durch als ob sie eine App verkaufen wollte. Das Resultat nennt sich «Otop». Es ist eine App, die von Studierenden der Genfer Fachhochschule Crea entwickelt wurde. Ihr Ziel ist die Schaffung eines lokalen Netzes, in dem Jugendliche sich umeinander kümmern.

Die Erwachsenen bleiben aussen vor, die Jugendlichen sollen unbeobachtet ihre Sorgen und Erfahrungen miteinander teilen. Dabei wird derjenige mit einem Bonus belohnt, der jemandem hilft. «Die Grundidee ist, sich für einander zu interessieren.» Dabei gehe es nicht ausschliesslich um Deradikalisierung, auch wenn dieses Thema natürlich mit anvisiert werde.

Es fehlen noch 100'000 Franken

Sozialarbeiterin Chevée hat ihre Idee einer App gegen Risikoverhalten und Deradikalisierung – von Jugendlichen für Jugendliche – kürzlich an einer Konferenz über Deradikalisierung in Genf vorgestellt. Allerdings hat sie erst die Hälfte der nötigen 200'000 Franken an Stiftungsgeldern zusammen, damit das Projekt starten kann.

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