Wie geht es weiter mit der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative («MEI»)? Und daran anknüpfend: Braucht es ein Rahmenabkommen zugunsten der Rechtssicherheit? Oder werden die Bilateralen Verträge gar grundsätzlich infrage gestellt? Für das neue Parlament stehen wegweisende Fragen in der Europapolitik an.
Wahlresultat als Bekräftigung der «MEI»?
Der neu gewählte Zürcher SVP-Nationalrat Roger Köppel spricht aufgrund des deutlichen Sieges seiner Partei von einer «Richtungswahl»: Das Resultat sei ein «Wink mit dem Matterhorn nach Bern», damit nun die Zuwanderung endlich begrenzt und die Unabhängigkeit gegenüber der EU bekräftig werde.
Nationalrat Eric Nussbaumer (SP/BL) betont, die SP sei trotz des «fulminanten Sieges der SVP» nicht schwächer aus den Wahlen hervorgegangen. Zudem würden die europapolitischen Parolen von rechts der Schweiz nicht weiterhelfen – es gelte, konstruktive Lösungen zu finden.
Für Nationalrätin Christa Markwalder (FDP/BE) sticht hervor, dass mit der FDP eine Partei zugelegt habe, die immer hinter dem bilateralen Weg gestanden sei – und gerade diesbezüglich liege eine starke Differenz gegenüber der SVP vor.
Der parteilose Schaffhauser Ständerat Thomas Minder sieht im Wahlsieg der SVP nicht nur eine erfolgreiche Bewirtschaftung der Migrations- und Asylthemen. Denn Zuwanderung habe viele Nebenschauplätze wie den Druck der dadurch auf die Arbeitsplätze, die Jugend oder die über 50-Jährigen entstehe. Die SVP habe als einzige Partei zu diesen Themen «volksnahe politisiert».
Umstrittene Rechtsunsicherheit
Die Gäste waren sich insbesondere uneins, ob im Verhältnis Schweiz-EU eine Rechtsunsicherheit besteht und wie diese allenfalls zu beheben ist. Christa Markwalder plädiert in diesem Zusammenhang für ein instutionelles Rahmenabkommen: Dieses könne absichern, was während den 20 Jahren der bilateralen Verträge ausgehandelt wurde.
Auch für Eric Nussbaumer ist die Wiederherstellung der Rechtssicherheit eine Grundvoraussetzung für die Fortzsetzung des bilaterale Wegs: Wirtschaftlich wichtige Verträge wie das Stromabkommen können ohne den von der EU geforderten institutionellen Rahmen nicht abgeschlossen werden.
Die Politik der SVP schafft keine Rechtssicherheit
Roger Köppel entgegnet, es brauche keine neuen Verträge. Zudem sei eine institutionelle Anbindung an die EU fatal, wenn man bedenke, dass die EU selbst eigene Grundpfeiler wie die Schengen/Dublin-Abkommen oder die Neuverschuldungs-Richtlinien beinahe im Wochentakt neu interpretiere, abschaffe und wieder einführe.
Die EU ist eine riesige institutionelle Unsicherheitszone
Für Thomas Minder ist die Rechtsunsicherheit in erster Linie ein innenpolitisches Problem. Diese entstehe dadurch, dass die Umsetzung einer Initiative wie der «MEI» nicht rascher in Angriff genommen werde.
«Mit Krach anfangen und Kompromiss enden»
Für den Experten Paul Widmer muss der Bundesrat bei den Verhandlungen mit der EU zur «MEI» nicht nur auf die typisch schweizerische Kompromissbereitschaft setzen. In diesem Falle gelte die Devise, die Verhandlungen mit einem Krach zu beginnen und einem Kompromiss zu beenden, so der ehemalige Botschafter.
Christa Tobler wiederum rief in Erinnerung, dass die EU aus rechtlicher Sicht nicht zu Verhandlungen gezwungen werden könne. Dies sei in dem mit der «MEI» teils unvereinbaren Personenfreizügigkeitsabkommen so nicht vorgeschrieben, präzisierte die Professorin für Europarecht.