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Schweiz «Arena»: Hat das Volk immer das letzte Wort?

Vor 124 Jahren wurde die Volksinitiative auf nationaler Ebene eingeführt. Damals wurde das Instrument noch kritisch betrachtet. Heute steht die Volksinitiative für Schweizer Identität. Doch darf das Volk jedes Anliegen auf den Tisch bringen? Oder gibt es auch in einer direkten Demokratie Grenzen?

In der «Arena» diskutierten

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«Das Volk hat entschieden. Das Volk hat das letzte Wort.» Diese Sätze hört man in den letzten Jahren immer öfter. Doch der eine oder andere Volksentscheid kann die Regierung bei der Umsetzung einer Vorlage durchaus in die Bredouille bringen.

In der «Arena» diskutieren die Gäste darüber, ob Stimmbürgerinnen und Stimmbürger mit dem politischen Instrument Volksinitiative jedes Anliegen auf den Tisch bringen dürfen, oder ob es Grenzen gibt.

Andreas Auer, emeritierter Professor für Staatsrecht und ehemaliger Leiter des Demokratiezentrums Aarau, findet: «Es gibt eine Grenze für den Volkswillen: Das Volk darf die Grundrechte nicht verletzen.»

Geht es nach SVP-Präsident Toni Brunner, darf in einer offenen Gesellschaft über alles diskutiert werden: «Die direkte Demokratie ist eine feine Machtverteilung. Politiker wissen, sie müssen Rücksicht nehmen.» Brunner weiter: «Niemand ist fehlerfrei – auch das Volk nicht. Trotzdem darf es immer das letzte Wort haben.»

Das Volk ist das einzige Staatsorgan, das für seine Handlungen nicht verantwortlich ist.
Autor: Andreas Auer Professor für Staatsrecht

Staatsrechtler Auer fragt sich nach Abstimmungen jeweils, wer denn das Volk sei? Und mit welcher Motivation es so oder so abgestimmt habe? «Das Volk ist das einzige Staatsorgan, das für seine Handlungen nicht verantwortlich ist. Es stimmt ab – und die anderen müssen das Resultat ausfressen.» Und diese würden dann manchmal an Grenzen stossen, so Auer.

Deshalb ist für alt Bundesrat Moritz Leuenberger die Maxime – dass die Mehrheit immer auch auf die Minderheit Rücksicht nehmen muss – besonders wichtig: Nach einer gewonnenen Abstimmung müsse darum der Gesetzgeber diese Maxime austarieren. «Demokratie ist nicht die Diktatur der Mehrheit», begründet Leuenberger.

Kriterien für Ungültigkeit

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- Verletzung des Völkerrechts

- Keine Einheit in der Form

- Keine Einheit der Materie

Wer entscheidet über die Gültigkeit?

Geht es um die Ungültigkeitserklärung einer Volksinitiative, gehen die Meinungen auseinander. Als aktuelles Beispiel wird in der Runde die Frage gestellt, ob etwa das Kritierium Einheit der Materie, wie es in der Bundesverfassung steht, bei der Ecopop-Initiative gewährleistet war.

Damals wurde im Initiativtext das Wachstum der Bevölkerung um maximal 0,2 Prozent mit Verhütungsmitteln für die Dritte Welt verbunden. War da die Einheit der Materie gewährleistet? Das Parlament befand damals Ja.

Staatsrechtler Auer sagt, was er bereits vor der Ecopop-Abstimmung gesagt hat: Das Parlament hätte die Initiative für ungültig erklären müssen. «Das war ein klarer Fall von Verletzung von Einheit der Materie.»

CVP-Nationalrat Pfister sieht dies anders – obschon er damals im Parlament anders entschieden hatte. Er findet das Beispiel vielmehr typisch für die Diskussionen im Parlament.

Das Parlament ist die richtige Instanz, um über die Gültigkeit von Volksinitiativen zu entscheiden.
Autor: Gerhard Pfister Nationalrat CVP/ZG

Dort sei der Initiativtext nämlich ernsthaft diskutiert worden. Am Schluss seien die Parlamentarier mehrheitlich zum Schluss gekommen: Die Einheit der Materie ist gewährleistet. Pfister findet, dass das Parlament die richtige Instanz sei, um über die Gültigkeit von Volksinitiativen zu entscheiden. Eine solche Entscheidung würde er nicht Verfassungsrichtern überlassen wollen.

Gibt es zu viele Volksinitiativen?

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Die Volksinitiative war ursprünglich eingeführt worden, damit Bürger, die sich im politischen Prozess nicht vertreten fühlen, ins Geschehen eingreifen können. Heute lancieren auch vermehrt die grossen Parteien Volksinitiativen – obwohl sie in der Regierung vertreten sind. Im Grunde hätten sie aber andere Mittel zur Verfügung.

Toni Brunner findet dies völlig legitim. Er sieht die Initiative quasi als letzten Trumpf: «Es ist für die Parteien das letzte Mittel, wenn sie im Parlament für ein Anliegen keine Mehrheiten finden.»

Zu viele Initiativen oder gar eine Initiativflut gebe es nicht, meint Brunner und betont: In der Schweiz seien von insgesamt 171 Initiativen 22 angenommen worden – neun davon in den letzten zehn Jahren. Dies verleitete wahrscheinlich zum Eindruck, es gebe viel mehr Volksinitiativen als früher.

Derzeit sind 16 Volksinitiativen beim Bundesrat und im Parlament hängig oder bereit, um sie zur Abstimmung zu bringen – für 13 weitere werden Unterschriften gesammelt.

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