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Schweiz «Arena»: Wo steht der Islam in der Schweiz?

Die Terroranschläge in Paris haben die Diskussion über den Islam in der Schweiz befeuert. Wie verträgt sich der muslimische Glaube mit der Schweizer Gesellschaft? Und wer vertritt die Muslime? Darüber diskutierten fortschrittliche und konservative Muslime in der «Arena».

Fortschrittliche und konservative Muslime beanspruchen für sich, die Schweizer Muslime zu vertreten. Ihre Ansichten liegen dabei weit auseinander. In der «Arena»-Debatte tritt Saïda Keller-Messahli vom Forum für einen fortschrittlichen Islam gegen Qaasim Illi vom umstrittenen Islamischen Zentralrat (IZRS) an.

Gewaltpotential vorhanden

Es diskutieren:

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In den Augen von Keller-Messahli hat der Islam ein Gewaltproblem. «Es ist ein Text aus einer vergangenen Zeit. Im Kontext seiner Entstehung im 8. Jahrhundert wüteten Kriege zwischen dem jungen Islam und den Gegnern. So gibt es Passagen aus dieser Zeit die Bezug auf diese Kriege nehmen, die feindlich, gewalttätig sind. Der Rest ist eine Interpretationsfrage.»

Qaasim Illi sieht eher nur ein Gewaltpotential. Dies könne man nicht aus der Welt reden. Der Islam sei eine umfassende Religion, die auch ein Kriegsrecht kenne. Und ein Teil davon sei im Koran verbrieft. «Die Frage ist, wie und wer das nun interpretiert.»

Illi: Kein Extremismusproblem

Gibt es aber auch ein Extremismusproblem in der Schweiz? Laut Qaasim Illi ist es bei den Muslimen in der Schweiz klein. «Bei den Nicht-Muslimen, vor allem bei den Rechtsaussen-Parteien gibt es aber ein grosses Extremismusproblem. Es gibt Kräfte, die versuchen, die Gesellschaft zu divergieren.»

In der hinteren Reihe der «Arena» nehmen auch Politiker der grössten Parteien an der Diskussion teil. Nationalrat Walter Wobmann (SVP/SO) etwa wehrt sich vehement gegen die Vorwürfe Illis. «Wir befinden uns in einer freien demokratischen Gesellschaftsordnung und alle haben sich dieser unterzuordnen.» Qaasim Illi sei der Ableger des radikalen Islamismus aus dem Nahen Osten. Er solle nun nicht kommen und den Spiess umdrehen.

Erstmals Dschihad-Reisende

Auch Frau Keller-Messahli findet Illis Worte zynisch. Durch das Auftauchen der Salafisten in der Schweiz – mit dem was sie machen und was sie vertreten – sei eine rote Linie überschritten worden. «Wir haben zum ersten Mal Dschihad-Reisende in der Schweiz, Leute die nach Syrien kämpfen gehen.»

27 bestätigte und 37 unbestätigte Fälle von Dschihad-Reisenden hat es gemäss Nachrichtendienst seit 2001 gegeben. Qaasim Illi bezeichnet es als verrückt, wenn man das Phänomen der Dschihad-Reisenden so extrem aufbauscht und als riesige Bedrohung für die innere Sicherheit der Schweiz darstellt. Aber auch er sei der Meinung, dass der Nachrichtendienst die Kompetenz haben muss, diese Leute zu beobachten.

Kritik an Salafisten

Der Salafismus lebe davon, dass ein Keil zwischen die Muslime und Vertreter anderer Religionen getrieben werde, sagt Keller-Messahli. Sie frage sich, wieso die Schweizer Behörden die Salafisten einfach gewähren lassen. «Es gibt genug Belege, dass es Sympathien und Verbindungen gibt zwischen dem ‹salafistischen› Zentralrat und Kaida-Ablegern in Syrien.»

Qaasim Illi wehrt sich gegen diese Vorwürfe. Der IZR habe sich von diesen Gruppierungen und insbesondere von Gewalt mehrfach und deutlich distanziert. «Und dies mache ich nun auch hier nochmal: Der Zentralrat ist ein grosses Sammelbecken von verschiedensten Strömungen.» Und er selber sei kein Salafist, betont Illi.

Farhad Afshar, Präsident der Koordination Islamischer Organisationen Schweiz, – auch er Diskussionsteilnehmer in der hinteren Reihe – stellt fest, dass sich zwei Seiten gegenseitig hochschaukeln: Der radikale Islam und die Islamophoben. «Und dadurch wird der Konflikt verschärft. Das geht auf Kosten der moderaten Muslime, die nur ihre Religion praktizieren wollen.»

Kopftuchstreit als Symbol

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Im zweiten Teil der «Arena» stand das Zusammenleben zwischen Muslimen und Nichtmuslimen im Zentrum. Zu Reibungen und Konflikten kommt es laut Keller-Messahli dort, wo sich der politische Islam artikuliert. Beispielsweise bei der Forderung nach einem Kopftuch für Mädchen an den Schulen einsetzt. Im Koran stehe nirgends, dass ein Mädchen seinen Kopf bedecken müsse. Dabei handle es sich eben um den Missbrauch der Religion für politische Zwecke.

Für eine gläubige Muslimin sei es wichtig, dass sie ihren Glauben, ihre Religion auch im Kultus praktizieren kann, hält Qaasim Illi entgegen. «Und das Kopftuch ist ein Teil dieses islamischen Kultus.»

Nun entflammt eine lange Diskussion über das Kopftuch. Doch laut Afshar steht das Kopftuch hier nur als Symbol. «Dahinter steht die Frage der Gleichberechtigung von Mann und Frau. Und dafür müssen wir uns einsetzen.» Dies sei viel wichtiger als die Frage, welche Kleidung getragen werden solle. «Das Ziel ist, dass wir zu einem ganz normalen alltäglichen Miteinander finden», hält Afshar zum Schluss fest.

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