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Schweiz Asyl-Notlage: Bundesrat will Bunker wenn nötig zwangsöffnen

Kommen viele Asylsuchende auf einmal, werden die Betten knapp. Diesen allfälligen Engpass will der Bundesrat entschärfen. Heute hat er entschieden, dass künftig Asylbewerber gegen den Willen der Gemeinden in Zivilschutzanlagen untergebracht werden können. Die Gemeinden reagieren verärgert.

Zivilschutzanlagen werden schon heute teilweise als Asylunterkünfte genutzt. Rund 7000 Asylsuchende sind zurzeit so untergebracht. Die Anlagen gehören in den meisten Fällen den Gemeinden.

Künftig könnte der Bund oder ein Kanton in einer Notlage Gemeinden dazu zwingen, Anlagen für diesen Zweck zur Verfügung zu stellen. Die Beschlagnahmung ist im Bevölkerungs- und Zivilschutzgesetz vorgesehen. Es handle sich um eine rein vorsorgliche Massnahme, schreibt das Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) in einer Mitteilung.

Wir sind enttäuscht und irritiert, dass unsere Einwände kein Gehör gefunden haben.
Autor: Reto Lindegger Direktor des Schweizerischen Gemeindeverbandes

Die Gemeinden reagieren verärgert auf die Verordnung des Bundesrats: Sie hätten im Vorfeld ausdrücklich Bedenken zu dieser Regelung deponiert – scheinbar zwecklos, sagt der Direktor des Schweizerischen Gemeindeverbandes, Reto Lindegger. «Wir sind enttäuscht und irritiert, dass unsere Einwände kein Gehör gefunden haben.»

Zufriedene Kantone

Zufrieden hingegen zeigen sich Vertreter der Kantone. Sie hatten zuerst noch ein wüstes Hickhack um Zivilschutzanlagen befürchtet: dass sich Bund und ein Kanton um eine Anlage streiten.

Ich bin sehr zuversichtlich, dass Bund und Kantone sich in einer wirklichen Notlage nicht um einzelne Zivilschutzanlagen streiten würden.
Autor: Hans-Jürg Käser Präsident der Kant. Justiz- und Polizeidirektoren

Nun aber hätten die Kantone beim Bund mitreden können, welche Zivilschutz-Unterkünfte für eine solche Notnutzung in Frage kämen, sagt der Präsident der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren, Hans-Jürg Käser. «Ich bin sehr zuversichtlich, dass Bund und Kantone sich in einer wirklichen Notlage nicht um einzelne Zivilschutzanlagen streiten würden.»

Noch etwas mache die Verordnung für Kantone akzeptabel, sagt der Präsident der Kantonalen Migrationsbehörden, Marcel Suter. Er hatte die Neuregelung im Vorfeld noch scharf kritisiert. Bund und Kantone hätten sich mittlerweile darauf verständigt, dass «der Bund zuerst die eigenen, verfügbaren Anlagen prüft und nutzt, sowohl die zivilen und die militärischen, und erst danach auf jene der Gemeinden zurückgreift.»

Beschlagnahmung im Auftrag des SEM

Eine Zivilschutzanlage beschlagnahmen dürfen gemäss der Verordnung das Bundesamt für Bevölkerungsschutz (BABS) auf Antrag des Staatssekretariats für Migration (SEM) sowie die für den Zivilschutz zuständigen Stellen der Kantone.

Junge Männer vor einer Zivilschutzanlage.
Legende: Steigt die Zahl der Asylbewerber kurzfristig an, will der Bundesrat die Zivilschutzanlagen zwangsweise öffnen. Keystone

Voraussetzung ist, dass keine anderen Unterbringungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Schutzanlagen, auf welche die Armee angewiesen ist, kommen als Not-Asylunterkunft nicht in Frage.

Das Regime träte erst in Kraft, wenn der Bundesrat oder eine Kantonsregierung eine Notlage festgestellt hätten. In einem solchen Fall müsste es aber schnell gehen: Zivilschutzanlagen müssten dann unverzüglich geräumt werden, heisst es in der Verordnung. Davon betroffen wären etwa Vereine, die derzeit Schutzanlagen mieten, um dort zu trainieren oder zu üben.

Muss die Infrastruktur einer Anlage wegen mangelnder Ausrüstung oder mangelnden Unterhalts angepasst werden, trägt der Kanton oder die Gemeinde die Kosten. Für den Betrieb und den Unterhalt der Schutzanlage während der Requisition bezahlt der Bund oder der Kanton. Zudem werden die Eigentümer für die Nutzung der Schutzanlagen entschädigt.

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