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Schweiz Atommüll-Endlager: Nagra testet in einem Felslabor

Bei St-Ursanne (JU) betreibt der Bund ein spezielles Felslabor. In einem gesicherten Stollensystem hat die Nagra ein Experiment gestartet. Es soll zeigen, ob sich ein Tunnel mit radioaktivem Abfall sicher versiegeln lässt, und wie sich warme Metallbehälter in dieser felsigen Umgebung verhalten.

Die Nagra, die nationale Genossenschaft für die Lagerung radiokativer Abfälle, hat den Auftrag, die beste aller Lösungen für ein Tiefenlager in der Schweiz zu finden. Eine der wichtigsten Herausforderungen ist die Art und Weise, wie in einigen Jahrzehnten der hochradioaktive Abfall mit einer Restwärme von gegen 150 Grad Celsius im Untergrund gelagert werden kann.

Seit Jahren sind Geologen, Ingenieure und Physiker an der Planung – bald erhalten sie erste Antworten. «Mit dem Verschütten des letzten von drei grossen Metallbehältern hier im Opalinuston des Mont Terri beginnt für uns alle endlich die Phase der konkreten Daten und Zahlen», sagt Nagra-Projektleiter Herwig Müller in «Schweiz aktuell».

Blick in einen Stollen mit einer aufwändigen Verkabelung.
Legende: Ingenieure und Physiker werden mit verkabelten Messgeräten das Verhalten der Metallbehältern im Stollen beobachten. SRF

Ein Labor im Berg

Der wasserundurchlässige Opalinuston ist die Voraussetzung für ein mögliches Tiefenlager für radiokative Abfälle. Und die Schweizer Regionen, in denen Opalinuston in optimaler Dimension vorkommt, sind bekannt: Im Kanton Obwalden der Wellenberg, im Aargau die Gebiete Jura-Ost und Jurasüdfuss, im Kanton Zürich sind es die Gebiete Nördlich Lägern und Zürich Nordost und im Kanton Schaffhausen der Südranden.

Überall dort liegen die Opalinuston-Schichten in 600 bis 900 Metern Tiefe. Ganz im Gegensatz zum Mont Terri im jurassischen St-Ursanne: Beim Tunnelbau für die Autobahn A16 hat man bei der waagrechten Ausbohrung durch den Berg eine mächtige Opalinuston-Schicht entdeckt. Dies hat den Bund unter Federführung der Landestopografie Swisstopo veranlasst, parallel zum Autobahntunnel ein Stollensystem zu erstellen und ein Felslabor zur Erforschung der Opalinuston-Eigenschaften zu realisieren.

Heute laufen im Mont Terri 46 verschiedene Experimente, die auch von europäischen, asiatischen und amerikanischen Firmen oder staatlichen Forschungsstellen unterstützt und begleitet werden.

«1:1»-Experiment

Das Experiment der Nagra ist im Prinzip einfach: Drei etwa drei Meter lange Metallbehälter wurden hintereinander in der Mitte des Stollens auf backsteinartige Bentonitblöcke gestellt, und mittels einer Spezialmaschine mit langen, sich drehenden Röhren rundherum mit Bentonit-Granulat verschüttet und verstopft.

Bentonit ist ein natürliches Gestein mit ähnlichen Eigenschaften wie die felsige Opalinuston-Umgebung im Mont Terri: Sobald Feuchtigkeit auftritt, dehnt sich das Material aus und verdichtet es vollständig. «Es bestehen exakt jene Verhältnisse, wie wir sie in einem späteren Tiefenlager haben werden. Deshalb werden die Behälter ab jetzt elektrisch von innen gewärmt», erklärt Herwig Müller und zeigt während der Verschüttung auf die zahlreichen Sonden am Metallbehälter. Diese messen, ob und wie sich die felsige Umgebung der Behälter verändert.

Dieser «1:1»-Versuch, der heute gestartet wurde und ab sofort eine Fülle von Daten liefert, dauert mindestens 10 bis 15 Jahre – genügend Zeit, wenn man bedenkt, dass ein definitiver und demokratisch besiegelter Standortentscheid für ein Tiefenlager kaum vor 2030 zu erwarten ist.

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