Bis vor Bundesgericht wehrte sich die Thurgauer Gemeinde Amriswil. Sie wollte verhindern, dass eine junge Albanerin eingebürgert wird. Dabei war die Frau bereits mit fünf Jahren in die Schweiz gekommen, und sie hatte keinen Anlass zu Klagen gegeben.
Der Grund für den Widerstand: Die junge Frau ist zwar volljährig, aber geistig auf dem Niveau eines kleinen Kindes. Sie versteht zwar Deutsch, kann sich selbst aber nur in Gebärdensprache oder mit einem Sprechcomputer ausdrücken. Von einem Willen zur Einbürgerung könne daher keine Rede sein, befand der Stadtrat. Prompt lehnte die Gemeindeversammlung die Einbürgerung ab.
Keine beabsichtigte Diskriminierung
Für das Bundesgericht ist ganz klar: Die Gemeinde wollte die Frau nicht diskriminieren, aber im Resultat ist die verweigerte Einbürgerung diskriminierend. Wer von geistig Behinderten einen eigenen, freien Willen zur Schweizer Staatszugehörigkeit fordere, verweigere ihnen pauschal den Schweizer Pass.
Das Bundesgericht lehnt den Rekurs der Gemeinde ab. Amriswil muss also erneut und sorgfältiger über das Gesuch entscheiden.
«Ein Stück Schweizer Alltag»
Caroline Hess-Klein, Leiterin der Fachstelle Egalité Handicap, sagt: «Das ist ein extremer Fall, aber ein Stück Schweizer Alltag.» Es sei kein Einzelfall. Einigen Menschen sei eine Einbürgerung wegen ihrer Behinderung verwehrt worden.
Die Gemeinde hatte gewarnt: Würde die Frau trotz fehlendem Willen eingebürgert, dann würde ein unzulässiger Automatismus eingeführt.
Hess-Klein kontert und verweist auf das Urteil des Bundesgerichts: «Man darf nicht pauschal sagen, dass eine geistig behinderte Person die Tragweite nicht verstehe und dass sie deshalb nicht eingebürgert wird.»
Hess-Klein freut sich, dass der Richterspruch aus Lausanne so klar ausgefallen ist. In ähnlichen Fällen werde künftig das Gespräch mit den Gemeinden einfacher.
prus;schnep