Mit seiner erzkonservativen Haltung sei der Nuntius nicht Brückenbauer sondern Partei, werfen ihm seine Kritiker vor. Für die bereits angespannte Situation innerhalb der katholischen Kirche in der Schweiz bedeute das nichts Gutes.
Der liberale Theologe Erwin Koller, Präsident der kirchenkritischen Werner-Haag-Stiftung, sieht in Erzbischof Gullickson einen Verfechter eines totalitären Katholizismus. Koller gegenüber der «Rundschau»: «Mit dieser Haltung ist er ganz klar ein Spaltpilz. Pointiert spitzt er den Kulturkampf in der katholischen Kirche vom 21. Jahrhundert zu.»
Kritik an Reformen des Papstes
Traditionalist Gullickson vertritt seine Ansichten modern. Auf Twitter und anderen sozialen Medien veröffentlicht und postet der Erzbischof oft Texte mit rechtskatholischen Positionen. Der Nuntius zeigt zum Beispiel reges Interesse an der alten Liturgie, der sogenannten Lateinmesse. Er hat auch schon den Eindruck erweckt, mit der erzkatholischen Piusbruderschaft zu sympathisieren.
Und oft lässt er eine kritische Haltung zu Reformplänen von Papst Franziskus erkennen. Koller: «Ich würde mir wünschen, dass Papst Franziskus ein ernsthaftes Wort mit ihm spricht. Denn die Positionen, die er vertritt sind ganz klar gegen die Positionen von Papst Franziskus.»
Sorge um Bischofswahl in Chur
Unter liberalen Priestern im Bistum Chur weckt der Nuntius zudem Befürchtungen im Hinblick auf die Nachfolge von Bischof Vitus Huonder, der 2017 altersbedingt zurücktreten wird. Der Nuntius spielt im Auswahlverfahren zur Bischofswahl eine Schlüsselrolle. Er übermittelt die Namen möglicher Kandidaten nach Rom und darf auch eigene Vorschläge machen.
Pfarrer Hugo Gehring, Dekan von Winterthur, ist alarmiert: «Erzbischof Gullickson wird im Auswahlverfahren sicher seine Haltung einfliessen lassen», damit in Chur nach Huonder ein weiterer, rechtskatholischer Bischof installiert werde. Dekan Gehring ist Mitglied des sogenannten Priesterbundes, eine Vereinigung von liberalen Priestern aus dem Bistum Chur.
Der Nuntius schweigt
Zu Kritik und Vorwürfen will der Nuntius keine Stellung nehmen. Interviewanfragen der «Rundschau» werden abgelehnt. Erzbischof Gullickson antwortet unter anderem: «Im Moment gehe ich grundsätzlich auf keine Medienanfragen mehr ein, unabhängig vom Thema. In den nächsten Monaten werde ich die besondere Situation der Kirche in der Schweiz besser kennenlernen.» US-Amerikaner Gullickson ist seit Oktober 2015 in der Schweiz als Nuntius tätig.
Kein Kommentar zum Nuntius und zur Nachfolge von Bischof Huonder, heisst es auch beim Bischofssitz in Chur. Eine Anfrage beim Presseamt des Heiligen Stuhls in Rom bleibt unbeantwortet.
«Unseriöse Vorverurteilung»
Die Kritik an den Nuntius kontert in der «Rundschau» Pfarrer Rudolf Nussbaumer, Mitglied im Huonder-treuen, konservativen Churer Priesterkreis. Die Vorwürfe würden wie eine Kampfansage daherkommen, meint der Pfarrer von Steinen SZ. «Da wird jemand in eine Ecke gedrängt und unmöglich gemacht, bevor man ihn richtig kennt».
Nussbaumer ist überzeugt, der Nuntius werde ein Garant für den Glauben in der Kirche sein. Und auch bei der Nachfolge von Bischof Vitus Huonder werde er seine Vermittlerrolle unparteiisch und zum Wohl der Kirche erfüllen.