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Schweiz Ausgetanzt: Das Ende der Schweizer Cabarets

Ab 2016 bekommen Cabarets keine Bewilligungen mehr für Tänzerinnen aus Drittstaaten. Die ukrainischen, brasilianischen und russischen Tänzerinnen sind bis spätestens heute zur Ausreise verpflichtet. Die neue Regel bedeutet für viele Etablissements das Aus – und wird von Experten kritisiert.

25 Jahre lang hat Brigitte Honauer ein Cabaret in Balsthal (SO) geführt. Nun gibt sie auf. «Wir hatten einen unglaublich guten Ruf», betont sie. «Immer, wenn die Leute reinkamen, war es hier bumsvoll. Und es war immer etwas los. Das kann man sich bei 20 Mädchen ja vorstellen. Meine Devise war stets: Zuerst müssen die Mädchen zufrieden sein, dann der Gast. Und das hat immer funktioniert.»

Die Mädchen sind nicht unbedingt mit den Gästen mitgegangen.
Autor: Brigitte Honauer Ehemalige Cabaret-Betreiberin

Vor allem Ukrainerinnen und Russinnen haben im Lokal von Brigitte Honauer getanzt. Doch nun ist das Cabaret Geschichte – und ist wieder ein ganz normaler Gastronomie-Betrieb. «Mir tut es leid wegen der Mädchen. Die sind nun ‹im Seich›.» Sie hätten Wohnungen gekauft und ihre Familien unterhalten. Jetzt auf einmal wüssten sie nicht mehr, wo sie Geld verdienen können, das sei schon hart, sagt die frühere Cabaret-Betreiberin.

Tänzerinnen aus sogenannten Drittstaaten sind nicht mehr erlaubt. Der Bund gibt als Gründe verdeckte Prostitution und Animation zum Alkohol-Konsum an. Doch Honauer gibt zu bedenken: «Wir sind immer schon streng kontrolliert worden. Wir mussten sogar die Lohnabrechnungen der Fremdenpolizei zusenden, um zu beweisen, dass wir die Saläre korrekt auszahlen.»

Ob Sex oder nicht, war Privatsache

Die ehemalige Cabaret-Betreiberin betont ausserdem: «Die Mädchen sind nicht unbedingt mit den Gästen mitgegangen. Und die Gäste sind trotzdem immer wieder gekommen. Denn es ist ihnen vor allem um Unterhaltung gegangen.»

Frauenbeine
Legende: Ohne die die Tänzerinnen aus Russland und der Ukraine können sich die wenigsten Cabarets behaupten. Keystone

Wo früher die Fauen tanzten, wird nun also künftig Bier ausgeschenkt. Dass der Bundesrat mit dem Tänzerinnen-Verbot Frauen aus Drittstaaten schützen will, hält Honauer für falsch.

«Im Etablissement gaben die Gäste mehrere hundert Franken für Champagner und erotische Shows aus.» Heute suchten die Männer den billigen Sex in Kontaktbars. Bei ihr hätten die Tänzerinnen nach allen Abzügen 2700 Franken verdient. Ob sie mit den Männern Sex gehabt hätten, sei deren Privatsache gewesen, sagt Honauer.

Auch die Beratungsstelle für Frauen aus dem Sexgewerbe äusserte sich gegen das Tänzerinnen-Verbot. Die Cabaret-Bewilligung habe bei arbeitsrechtlichen Problemen und in anderen Fällen Schutz geboten.

Die Abschaffung bedeute sicher keinen Schutz, meint Rebecca Angelini von der Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration (FIZ). Im Gegenteil: «Die Situation der Frauen aus Drittstaaten wird sich massiv erschweren.

Die Frauen werden nach wie vor kommen, dann aber vermehrt in der Illegalität arbeiten.
Autor: Rebecca Angelini Beratungsstelle FIZ

Damit seien die Frauen viel eher Gewalt und Ausbeutung ausgesetzt und könnten sich schwerer dagegen wehren, betont Angelini.

Viele Cabarets haben schon geschlossen

So geht in der Schweiz eine Ära zu Ende. Ohne Frauen aus der Ukraine und Russland, die als Tänzerinnen auftreten, sehen die Cabarets schwarz für ihre Zukunft und viele haben schon geschlossen. Doch diese Frauen werden weiterhin Geld verdienen wollen oder müssen. Brigitte Honauer: «Sie können praktisch nirgendwo mehr hingehen zum Arbeiten. Hier können sie nur noch in die Kontaktbars untertauchen.»

Ihr Etablissement hat Honauer nun verpachtet. In den Zimmern der Tänzerinnen sind jetzt Asylbewerber einquartiert. Für Honauer stimmt die Kasse – für die ehemaligen Angestellten weniger.

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