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Schweiz Ausschaffung: SVP macht Druck mit zweiter Initiative

Das Volk soll entscheiden, wie die Ausschaffungsinitiative umgesetzt wird. Die SVP hat eine entsprechende Initiative eingereicht. Doch der Volkswille hat Grenzen, sagen Staatsrechtler.

Die SVP doppelt nach. In fünf Monaten hat sie 154'982 Unterschriften für die Volksinitiative «Zur Durchsetzung der Ausschaffung krimineller Ausländer» gesammelt. Die Partei will damit eine sah sich zu dieser Initiative veranlasst, weil sie eine Verzögerung der ersten Ausschaffungsinitiative kritisiert. Sie befürchtet, dass die Forderung bei der Umsetzung verwässert werden könnte.

SVP-Parteipräsident Toni Brunner ergänzt: «Es geht nicht vorwärts in Bern.» Seiner Ansicht nach fehlt der politische Wille im Bundesrat, «die Ausschaffungsinitiative auch umzusetzen».

Automatismus gefordert

Die neue Durchsetzungsinitiative listet auf, nach welchen Delikten ein Ausländer die Schweiz verlassen muss. Richter oder Staatsanwälte müssen den Landesverweis neben der Strafe automatisch aussprechen, sofern die Verurteilten in ihrem Heimatstaat nicht verfolgt werden oder ihnen Folter droht.

Der Bundesrat hatte sich für eine Umsetzungsvariante ausgesprochen. Nach seiner Ansicht beachtet diese besser Verfassung und Menschenrechte. Zum Landesverweis kommt es demnach, wenn ein Ausländer zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt worden ist. Zudem beschränkt sich der Deliktkatalog auf schwere Verbrechen.

Volkswille gegen Volkswille

Eine Initiative, um die Ausschaffungsinitiative zu festigen? Eine Zwängerei? Noch nie dagewesen in der CH? Nein, sagt Andreas Gross, SP-Nationalrat und linker Verfechter der direkten Demokratie. Er findet eine zweite Initiative ein legitimes Mittel, um sich Gehör zu verschaffen.

Doch er wehrt sich gegen den Vorwurf, bei der Umsetzung der Ausschaffungsinitiative würde der Volkswillen nicht beachtet. Das Problem sei, dass bei der Ausschaffungsinitiative Volkswille gegen Volkswille stehe: Denn das Volk habe die Menschenrechte in der Verfassung verankert, und deshalb werde das Parlament in der kommenden Debatte wohl keine Gesetze machen, welche der europäischen Menschenrechtskonvention widersprechen.

Verfassung setzt Grenzen

Für Andreas Auer, Professor für öffentliches Recht an der Universität Zürich und Direktor des Zentrums für Demokratie in Aarau liegt das Problem bei der Gewichtung des Volkswillens.

Dieser werde in der Schweiz zunehmend als oberste Instanz hingestellt. Diese Ansicht habe sich in den letzten Jahren vermehrt durchgesetzt. «Aber sie ist rechtlich falsch und sie entspricht auch nicht dem Wesen unserer Demokratie.»

Der Volkswille habe Grenzen. Und zwar durch die Verfassung. Diese definiere, wer das Volk sei und welche Kompetenzen es habe, sagt Auer. Gleich wie heute Bundes- über Kantonsrecht gestellt werde, gebe es auch für Bundesrecht übergeordnete Instanzen. Für Andreas Auer muss aber nicht in erster Linie das Parlament, sondern Richter darüber wachen, dass beispielsweise Menschenrechte eingehalten werden.

Das heisst: Das Parlament könne die Ausschaffungsinitiative im Sinne der SVP umsetzen, doch damit sei noch lange nicht garantiert, dass die Gesetze im Einzelfall auch gültig seien.

Für Andreas Auer ist es aber keine Schwäche der Demokratie, wenn über Auslegungen von Gesetzen gestritten wird, sondern eine Stärke. Das ist eine natürliche Grenze der direkten Demokratie, die ihren Wert erhöht und diese gar nicht in Frage stellt.

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