Marc Graf ist langjähriger Gefängnisarzt, unter anderem im Basler Untersuchungsgefängnis Waaghof. Er ist Psychiater: Was ihm Inhaftierte im Therapiegespräch erzählen, bleibt grundsätzlich geheim.
Doch es gibt Ausnahmen. «Da unterscheidet sich die Gefängnis-Psychiatrie nicht von einer Hausarztpraxis oder einer allgemein-psychiatrischen Praxis», sagt Graf in der «Tagesschau». Ärzte hätten Melderechte, zum Beispiel bei strafbaren Handlungen an Minderjährigen oder häuslicher Gewalt: «Bei konkreten Anhaltspunkten für Gewalttätigkeit können wir bereits jetzt die berufliche Verschwiegenheitspflicht brechen.»
Schweigen oder informieren?
In der Deutschschweiz informierten die Ärzte eher als in der Westschweiz, sagt Graf. Diese Offenheit vermissen die Westschweizer Behörden und wollen sie nun sogar per Gesetz einfordern.
Den Behörden solle nicht das ganze medizinische Dossier des Gefangenen offen gelegt werden, beschwichtigt Blaise Péquignot, Generalsekretär der Konferenz der Justiz- und Polizeidirektoren der lateinischen Schweiz. «Aber wenn die Behörden in Bezug auf die Gefährlichkeit einer Person Fragen haben, muss der Arzt antworten.»
Neue Antwortpflicht für Ärzte?
Der Arzt soll neu eine Antwortpflicht haben. Das entspricht einer Lockerung des Arztgeheimnisses. Das gehe zu weit, sagt die Verbindung der Schweizer Ärzte FMH. Auch in der Westschweiz finde bereits ein genügender Austausch mit den Behörden statt.
«Der Gefangene muss Vertrauen in seinen Arzt haben», argumentiert Monique Gauthey. Sie ist Mitglied des FMH-Zentralvorstandes und selber praktizierende Psychiaterin. Wenn der Patient den Eindruck habe, dass Dinge weitergegeben würden, riskiere man, Informationen nicht mehr zu erhalten. Und das seien diejenigen, welche für die Therapie nötig seien – und für die öffentliche Sicherheit wichtig.
Im Fokus der Debatte stehen die «gefährlichen Straftäter». Doch wer ist gefährlich? Wer ist es nicht und muss folglich auch hinter Gittern durch das Arztgeheimnis geschützt werden? Die Debatte in der Westschweiz geht weiter.