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Schweiz Behörden als Steuerhelfer – alles legal und trotzdem fragwürdig

Wenn das Steueramt einer Firma beim Sparen hilft, ist das nicht mehr so salonfähig wie auch schon. Dies bestätigen Experten nach dem Fall der Ammann-Gruppe. Zwar sind solche Abkommen oder «Rulings» ganz legal und nicht selten Teil der kantonalen Standortpolitik. Doch moralische Fragen werden lauter.

Steuerordner in der Steuerverwaltung.(Symbolbild)
Legende: Wie weit können und dürfen Kantone bei der Steueroptimierung für Firmen gehen? Keystone/Archiv

Will eine Schweizer Firma Steuern sparen, so kann sie das wie eine Finanzgesellschaft im Ausland tun. Wichtig ist, dass dort eigenständig Anlageentscheide gefällt werden und nicht etwa in der Schweiz.

Ist das der Fall, ist dieses Konstrukt legal und die kantonale Steuerverwaltung kann dies kaum verhindern, wie Robert Waldburger, Steuerexperte und Professor an der Universität St. Gallen, sagt. «Ja, wenn das glaubhaft dargelegt wird und keine anderen Hinweise auf eine Steuerumgehung oder einen Rechtsmissbrauch vorliegen, dann wird die Steuerverwaltung diese Frage wahrscheinlich positiv beantworten.»

Stichproben müssen genügen

Ob die Firmen mit Blick auf ein solches «Ruling» oder Steuerabkommen alles korrekt angeben, kann jedoch kaum überprüft werden. Denn pro Kanton steht normalerweise nur eine Person für die Überwachung zur Verfügung. «Diese unternimmt auf eigene Initiative Prüfungshandlungen, die aber von der Natur der Sache her nur stichprobenartig ausgestaltet sein können», stellt Waldburger fest.

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Vehikel im Standortwettbewerb

Kommt dazu, dass einzelne Kantone ihren Ermessenspielraum ausnutzen und bei der Anerkennung von «Rulings» besonders aktiv sind, wie die Dozentin Monika Roth von der Hochschule Luzern erklärt: «Die Kantone, die mehr machen, benutzen quasi die Gestaltungsmöglichkeiten über diese Rulings als Instrument der Standortpolitik. Das ist nicht von der Hand zu weisen.»

Besonders die wirtschaftlich schwächeren Kantone wie auch der jetzt in der Kritik stehende Kanton Bern nutzen diese Möglichkeit. Die wirtschaftlich starken Kantone wie zum Beispiel Zürich haben das weniger nötig und sagen eher einmal Nein zu einem Steueroptimierungsvorschlag.

Bleibt die Moral auf der Strecke?

Diese Steuerkonstrukte im Ausland dienen in erster Linie dazu, weniger in der Schweiz versteuern zu müssen. Dies sei nicht akzeptabel, findet Marc Herkenrath von der Entwicklungsorganisation Alliance Sud. Die Firmen wollen in der Schweiz keine Steuern bezahlen, Infrastruktur und Bildung der Angestellten aber trotzdem nutzen: «Das ist moralisch hochgradig fragwürdig.»

Die Frage der Moral rückt beim Thema Steueroptimierung immer mehr in den Mittelpunkt. Das war bei der Ausarbeitung der umstrittenen Rulings wie im Fall der Firma Ammann vor gut einem Jahrzehnt noch nicht der Fall, wie Roth sagt: «Ich denke, man hat heute etwas andere Wahrnehmung als damals. Dies ist auch verbunden mit der Steuerdebatte insgesamt.»

Die Frage, was ein gesunder Steuerwettbewerb ist und was nicht, ist derzeit international heftig umstritten. Die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) kämpft darum, dass alle Länder gleich lange Spiesse haben. Dabei hat sie auch Schweizer Steuerkonstrukte im Visier.

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