Das Bahnsystem Schweiz soll im Hinblick auf eine Marktöffnung nur geringfügig angepasst werden. Das empfiehlt eine Expertenkommission des Bundes. Besonders lehnt diese die EU-Forderung ab, das Bahnnetz aus den Bahnunternehmen herauszulösen.
EU will Entflechtung
Die EU-Kommission fordert die Entflechtung im Rahmen der Bahnliberalisierung, um den Wettbewerb zu stärken. Für die Schweiz beurteilt die Expertengruppe eine eigenständige Netzgesellschaft jedoch als zu risikoreich. Einbussen befürchten die Experten unter anderem bei der Planung, aber es würde auch schwerfälliger, Störungsfälle zu beheben.
Bei starkem Wettbewerb mache eine Trennung wie beispielsweise in Grossbritannien Sinn, sagte Peter Füglistaler, Direktor des Bundesamtes für Verkehr (BAV) vor den Medien in Bern. Für die Schweiz, in der nur im Güterverkehr auf der Nord-Süd-Achse der Wettbewerb intensiv sei, funktioniere die Trennung nicht.
Reform soll auf Liberalisierung vorbereiten
Eine Reform würde die historisch gewachsene Organisation der Eisenbahnen aber durchaus vertragen, sagte Paul Blumenthal, ein ehemaliger SBB-Manager. Anzustreben sei eine «kluge Annäherung an die EU-Regeln». Für eine Reform spreche auch, dass das System vor einer allfälligen Marktöffnung für den Personenverkehr gut aufgestellt werden sollte - und nicht erst danach.
Deshalb schlägt die Gruppe ein Holding-Modell vor für SBB, BLS, SOB auch weitere Bahnen. Dabei kontrolliert eine Muttergesellschaft die Tochterunternehmen, bei denen der Verkehr und die Infrastruktur je einzeln angesiedelt sind. Grundsätzlich sollten die einzelnen Tochterunternehmen keinen direkten Einfluss aufeinander haben.
Diese Struktur ist nach Ansicht der Expertenkommission die einzige in der EU akzeptierte Möglichkeit, den Bahnbetrieb und das Netz wie bisher in einem integrierten Unternehmen zu führen. Erfüllt die Schweiz die EU-Regeln nicht, könnten Schweizer Bahnen im schlimmsten Fall den Zugang zum europäischen Schienennetz verlieren.
Aus Sicht der Expertengruppe wäre das Holding-Modell für SBB und BLS eine logische Weiterentwicklung der Unternehmensstruktur, da diese schon heute getrennte Geschäftsbereiche führen. Die BLS stimmt der Empfehlung denn auch zu. Die SBB zeigt sich aber skeptisch: Sie hält eine Umgestaltung für voreilig.
Zu befassen hatte sich die Expertengruppe auch mit möglichen Diskriminierungen von Bahnunternehmen beim Netzzugang. Solche gebe es heute nicht, stellte Blumenthal fest. Wenn der Wettbewerbsdruck steige, könnte es aber zu Problemen kommen. Das gelte es zu verhindern. «Niemand soll in Versuchung geraten.»
Unabhängige Wettbewerbsüberwachung
Dazu schlagen die Experten kurzfristige Massnahmen vor, welche die Unabhängigkeit und die Wettbewerbsüberwachung stärken sollen. Die Gruppe möchten einen Regulator (RailCom) in Anlehnung an den Elektrizitäts- und Postmarkt schaffen.
Im Gegensatz zur heutigen Schiedskommission soll RailCom auch Sanktionen aussprechen können. Zudem soll künftig der Bund die Trassenvergabe übernehmen. Heute entscheidet die Gesellschaft Trasse Schweiz, die von SBB und BLS mitkontrolliert wird, welcher Zug zu welcher Zeit die Schienen benutzen darf. Die Vergabestelle soll künftig beim Bund angesiedelt werden und auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen.
Als nächsten Schritt will das BAV im August eine Anhörung starten zu den Vorschlägen der Expertengruppe. Im nächsten Frühjahr ist eine Vernehmlassung zu einem konkreten Entwurf geplant, und bis Ende 2014 soll der Bundesrat eine Botschaft ans Parlament schicken.