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Schweiz Bespitzelung auch in der Schweiz?

Laut Medienberichten spioniert die US-Regierung flächendeckend Nutzer von Google oder Facebook aus. Möglich, dass auch bei Schweizer Usern mitgelesen wurde. Allerdings ist spionieren gar nicht immer nötig: Rund 90 Prozent der Informationen im Netz sind frei zugänglich.

Hintergrund

Videos, Fotos, E-Mails, Dokumente und Kontaktdaten – zu all dem soll sich die US-Bundespolizei FBI mit dem Geheimdienst NSA Zugang verschafft haben. Bei der Bespitzelung sind laut Medienberichten namhafte Internet-Firmen wie Google, Facebook und Microsoft aktiv beteiligt.

«Der Geheimdienst will mitlesen»

Gelangen also auch Informationen, die wir in der Schweiz zum Beispiel in Google eingeben, in die Hände des NSA? Gut möglich, sagt Guido Berger, Leiter der SRF-Digitalredaktion. «Es ist klar, dass der Geheimdienst das will. Ob sie es auch können und es auch tatsächlich tun, ist noch offen.»

Ausschnitt aus Chat-Protokoll mit Carsten Schloter.
Legende: Carsten Schloter im Chat während des Swiss Economic Forum. SRF

Ähnlich sieht es Carsten Schloter, CEO der Swisscom. Im Chat auf SRF News Online antwortete er auf die besorgte Frage eines Nutzers, ob denn die USA mitlesen und die Daten der Swisscom auch sicher seien: «Die Daten, welche in der Schweiz gespeichert sind, unterliegen den Schweizer Gesetzen.» Dies gelte aber nicht für jegliche Form der Kommunikation auf Twitter oder Facebook.

Auch für den Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten Hanspeter Thür ist es selbstverständlich, dass Schweizer betroffen sind. «Wer Daten über die Firma austauscht, muss damit rechnen, dass Geheimdienste diese Informationen nutzen», sagte Thür zu SRF News Online.

Die Schweiz habe keine Möglichkeit in diesem Zusammenhang etwas zu tun. Das seien alles Daten, die in den USA sind und rechtmässig in die USA gelangten. Damit sei dieser Datentransfer grundsätzlich rechtmässig. «Und nach US-Recht ist es dann auch rechtmässig, wenn Geheimdienste nutzen davon ziehen.»

Firmen streiten Beteiligung ab

Für den Digital-Experten Berger ist noch eine andere Frage zentral: Wussten die beteiligten Firmen von der Bespitzelung, ermöglichten sie dem Geheimdienst gar den Zugang zu den Daten oder handelte die NSA eigenmächtig?

Bisher bestreiten die Unternehmen einstimmig, der US-Regierung eine Hintertür geöffnet zu haben. Berger kann sich jedoch nicht vorstellen, dass der Geheimdienst mit Wissen von Google & Co. Unterhaltungen mitgeschnitten hat. Zu gross wäre der Imageschaden für die Firmen.

«Schockierend»

Es wäre schockierend, wenn die Daten so vieler Unternehmen ohne ihr Wissen angezapft worden wären, findet die Politologin Christina Schori-Liang vom Genfer Zentrum für Sicherheits-Politik im Gespräch mit Radio SRF. «Diese Unternehmen haben hohe Firewalls. Sie müssten derartige Zugriffe eigentlich bemerken.»

Aber überrascht, dass so viele Daten ausspioniert wurden, ist sie nicht. «Seit dem 11. September 2001 investieren die Vereinigten Staaten enorm viel Geld in den Nachrichtendienst, um Informationen zu mutmasslichen Terroristen zu sammeln. Die grösste Gefahr für die USA ist Terrorismus im eigenen Land.» Die Aktionen sind denn laut der US-Regierung auch legal. Die Regierung berufe sich auf den Artikel 215 des «Patriot Acts», der den USA das Recht gibt, solche Informationen im Namen der Sicherheit zu sammeln, sagt Schori-Liang.

Sie gibt zu bedenken: «Viele Bürger machen sich selber gläsern. Sie stellen viele persönliche Informationen freiwillig ins Netz.» Geschätzte 90 Prozent der Informationen im Internet seien frei zugänglich. Es sei zu erwarten, dass Geheimdienste diese sammelten. «Ich bezweifle, dass die zusätzlichen Aktionen unter dem ‹Patriot Act› viel mehr Nutzen bringen.»

Auf die Frage, ob diese Datenüberwachung auch Probleme für US-Reisende haben könnte, meinte Thür, dass es darauf ankomme, in welchen Zusammenhang ihre Daten in die USA übermittelt worden seien. «Es kann sein, dass Schweizer aus irgendeinem Grund auf einer Verdachtsliste landen und dann könnte es schon Probleme geben», warnt Thür weiter.

Internet-Experte Ueli Maurer von der ETH Zürich versucht aber wiederum zu beruhigen: «Wenn sie ein Durchschnittsbürger sind, müssen sie auch nichts befürchten.»

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