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Schweiz Bewegende Heimkehr der Schweizer Geisel

In Zürich ist der auf den Philippinen verschleppte St. Galler Tierpräparator heute Morgen gelandet. In bewegenden Worten berichtete er der Presse von seiner dramatischen Flucht.

Der 49-jährige Vogelkundler, der fast drei Jahre lang auf den Philippinen in Geiselhaft war, ist am Morgen auf dem Flughafen Zürich angekommen. Er sei sehr erleichtert, wieder in der Schweiz zu sein, sagte er.

«Es ist wunderbar.» Nun brauche er vor allem Ruhe und Zeit mit seiner Familie.«Ich muss so viel nachholen. Ich habe so viel verpasst», sagte der sichtlich abgemagerte und geschwächte Schweizer, der um halb acht Uhr morgens, kurz nach seiner Landung, vor die Medien trat. Aus gesundheitlichen Gründen gab er seine Erklärung im Sitzen ab.

Bei seiner Flucht vor der islamischen Terrorgruppe Abu Sayyaf wurde der Schweizer durch ein Buschmesser verletzt, er verlor viel Blut und drei Zähne.

Niederländischer Freund wagte Flucht nicht

Den Entschluss, zu flüchten, habe er an seinem Geburtstag im November gefasst. «Ich wollte auf keinen Fall eine dritte Weihnacht auf der Insel Jolo verbringen», sagte der zweifache Vater. Zusammen mit dem Niederländer, der gemeinsam mit ihm in Geiselhaft sass, bereitete er sich auf die Flucht vor und lernte ein wenig die Sprache, um sich mit allfälligen Rettern verständigen zu können.

Als die Mitglieder von Abu Sayyaf Anfang Dezember eine Hochzeit feierten, sah der Schweizer seine Chance gekommen. Die Männer seien durch Essen und Frauen abgelenkt gewesen, erzählte er. Nur ein Wachmann sei in der Nähe gewesen.

Sein niederländischer Freund habe es leider nicht gewagt, ebenfalls zu fliehen. «Er sagte mir, ich solle allein gehen. Zu zweit sei es zu gefährlich.» So habe er eben allein sein Buschmesser genommen, sich in eine geblümte Decke gewickelt und sei zuerst zur Küche, dann in Richtung Toilette gegangen. «Hätten sie mich gefasst, hätte ich gesagt, ich hätte Hunger oder Durchfall.»

Keine weiteren Fälle bekannt

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Wie das Eidg. Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) auf Anfrage von SRF bestätigt, sind derzeit keine weiteren Fälle von Schweizer Bürgern bekannt, welche von terroristischen Gruppierungen festgehalten würden.

«Ich verlor viel Blut»

Knapp 100 Meter vor dem rettenden Dickicht habe aber plötzlich doch ein Wachmann vor ihm gestanden. «Ein etwa 60-jähriger, kleiner, hagerer Mann. Ich wollte ihm nicht weh tun.» Als der Wächter jedoch angefangen habe zu schiessen, habe er ihm einen Tritt in den Schritt verpasst und ihn in die Hand gebissen.

Offenbar hatte der Ornithologe den Wächter – entgegen ersten Berichten – aber nicht getötet, sondern nur verletzt. Zu dieser Version passt auch, dass die Leiche des Terroristen nicht gefunden wurde.

«Ich robbte auf allen Vieren, ich verlor viel Blut, meine Brille war weg.» Mit letzter Kraft habe er es zu einem Bach und einer Kokosnuss-Plantage geschafft. Die Leute von Abu Sayyaf hätten auf ihn geschossen, aber nicht getroffen. Nur wenig später sei er in der Obhut von amerikanischen Ärzten gewesen, noch am gleichen Tag habe er den Schweizer Vertreter getroffen.

2012 von Bewaffneten entführt

Das Erste, was er zu Hause tun will: seine Website aktualisieren. Er habe den philippinischen Behörden versprochen, eine Warnung aufzuschalten. «Geht nicht hin. Es ist zu gefährlich.»

Er selber war seit 1988 immer wieder im philippinischen Urwald unterwegs. Die Natur sei unbeschreiblich schön.Nun hofft er, dass es sein holländischer Ornithologen-Kollege ebenfalls in Freiheit schafft.

Die beiden Männer waren Anfang Februar 2012 mit einem einheimischen Führer in die abgelegene Provinz Tawi-Tawi gereist, um seltene Vögel zu fotografieren. Dabei wurden sie von Bewaffneten entführt und später den Terroristen übergeben. Der Einheimische konnte entkommen.

Kriminelle Bande

Abu Sayyaf wurde in den 1990er Jahren mit Geld des Al-Kaida-Führers Osama bin Laden gegründet. Die Gruppierung kämpft nach eigenen Angaben für einen islamischen Staat im Süden der überwiegend katholischen Philippinen.

Bei den örtlichen Behörden gibt es jedoch Zweifel an ihren politischen Zielen. Sie halten Abu Sayyaf in erster Linie für eine Bande Krimineller, die Geiselnahmen als Gelderwerb betreibt.

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