Einen Tag nach Toni Brunners Rücktritt hat nun auch SVP-Doyen Christoph Blocher (75) angekündigt, dass er die Parteileitung verlasse. «Ab April werde ich nicht mehr Vizepräsident der SVP sein», sagte er dem «SonntagsBlick». Er gehöre zum alten Eisen, fügte Blocher an.
Gegenüber der Nachrichtenagentur sda sagte Blocher, er wolle sich auf Ebene des Souveräns engagieren – und das ohne viel Zeit und Kraft zu verbrauchen für eine Parteifunktion. «Meine Aufgabe sehe ich in der Auseinandersetzung zwischen der Classe politique und der Bevölkerung.» Die Kluft zwischen diesen beiden Seiten werde immer grösser. Behörden und Politik entfernten sich zusehends von den Themen, welche die Leute beschäftigten.
Neue Parlamentarier, die Blocher nahe stehen
Der Einfluss von Christoph Blocher auf die SVP werde trotz seines Rücktritts gross bleiben, sagt Radio SRF-Inlandredaktor Elmar Plozza. Dafür gebe es zwei Gründe: «Blocher war mehrere Jahrzehnte lang eine wichtige und prägende Figur, auch für die junge Politikergeneration.» Was er sage, werde weiterhin Gewicht haben.
«Zweitens sind bei den letzten Wahlen im Parlament neue Politiker nachgerückt, die Blocher sehr nahe stehen: Einerseits natürlich seine Tochter, Magdalena Martullo-Blocher, aber auch Weltwoche-Chef Roger Köppel.» Mit ihnen habe Blocher einen direkten Draht zur SVP-Fraktion.
Weiterhin wichtiger Financier
Auch Bundeshausredaktor Hanspeter Forster ist der Meinung, dass Blocher die prägende Figur in der SVP bleiben wird. «Er wird die strategische Marschrichtung bestimmen und wohl auch in Zukunft den einen oder anderen Abstimmungskampf finanzieren.»
Forster glaubt aber auch, dass die SVP konkordanter werden und ihre Oppositions-Rolle überdenken müsse. Ein erster Hinweis darauf, ob die Volkspartei tatsächlich einen Strategiewechsel plane, werde die Debatte über die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative geben, sagt Forster.
Brunner will Blocher halten
Mit dem Rücktritt von Blocher als Vizepartei-Präsident sowie dem ebenfalls angekündigten Rücktritt des früheren Zürcher Nationalrats Walter Frey biete sich der SVP die Möglichkeit, die Parteileitung zu verjüngen, fügt Inlandredaktor Elmar Plozza an. Schliesslich habe die SVP bei den Wahlen bei vielen jüngeren Wählern gepunktet. Ob das aber wirklich geschehe, bleibe abzuwarten. Denn Noch-Parteipräsident Toni Brunner hofft offenbar, dass Blocher und Frey ihre Meinung noch ändern und als Vizepräsidenten bleiben.
Die Hoffnung stirbt zuletzt.
«Im Sinn der Kontinuität muss man sich bemühen, sie der Partei zu erhalten», sagte Brunner. Ihr strategisches Vermögen und ihre langjährige Erfahrung seien unersetzlich. Blocher und Frey von ihren Absichten abzubringen, werde Überzeugungsarbeit brauchen, sagte Brunner. Doch: «Die Hoffnung stirbt zuletzt.»
Mit sich reden lässt der SVP-Doyen wohl: «Falls sie mich brauchen, sollen sie kommen», so Blocher. Für ihn stehe allerdings fest, dass er mit den derzeitigen Parteistrukturen nicht mehr Vizepräsident der SVP sein werde. Was nach dem Frühjahr kommt, werde man sehen.
Gegen die Annäherung an Europa
Sein Kernthema, die Unabhängigkeit der Schweiz gegenüber der EU, wird Blocher weiterhin bearbeiten. Er werde das Präsidium des überparteilichen Komitees «Nein zum schleichenden EU-Beitritt» behalten, wie Brunner sagte. Das Komitee engagiert sich gegen ein institutionelles Rahmenabkommen mit der EU.
Am Samstag hatte Parteipräsident Toni Brunner seinen Rücktritt per 23. April 2016 bekannt gegeben (mehr dazu hier). Er wolle sich auf sein Nationalratsmandat konzentrieren. Brunner leitete die Geschicke der SVP seit 2008. Unter seiner Führung konnte die Partei ihre Stellung als klar stärkste Kraft konsolidieren.
Die wichtigsten Stationen in Blochers politischer Laufbahn
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Bild 1 von 10. 1980: Seit einem Jahr ist Christoph Blocher SVP-Nationalrat. Drei Jahre zuvor wurde der 1940 in Schaffhausen geborene Politiker Parteipräsident der Schweizer Volkspartei. Bereits in seiner Jugend nahm er Führungsrollen ein. Während seines Jura-Studiums amtete er als Präsident der juristischen Fachschaft und war Mitglied des Grossen Studentenrates. Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 10. 1986: Das Aktionskomitee gegen den UNO-Beitritt der Schweiz nimmt während einer Pressekonferenz in Bern Stellung. Mitglieder sind unter anderen Otto Fischer, Hubert Reymond und und Christoph Blocher (v.l.n.r.). Was sie damals noch nicht ahnen: 16 Jahre später wird die Schweiz schliesslich doch den Vereinten Nationen beitreten. Bildquelle: Keystone.
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Bild 3 von 10. 1987: Blocher, hier bei der Stimmabgabe in Meilen, will für den Kanton Zürich ins «Stöckli». Seine Kandidatur scheiterte an der Mitbewerberin Monika Weber vom Landesring der Unabhängigen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 4 von 10. 1992: Blocher, wie er leibt und lebt – mit der «blocherschen» Gestik. Der EU-Gegner setzt sich anlässlich der SVP-Delegiertenversammlung in Zürich gegen den EWR-Beitritt der Schweiz ein. Die Abstimmung gewinnt Blocher mit seiner Partei, die Schweiz geht fortan den Weg der billateralen Verhandlungen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 5 von 10. 2003: Christoph Blocher wird mit 121 von 237 Stimmen knapp in den Bundesrat gewählt. Ruth Metzler (CVP) muss ihren Sitz räumen. Die SVP bekommt einen zweiten Bundesratssitz und sprengt die Zauberformel. Blocher übernimmt das Justiz- und Polizeidepartement. Bildquelle: Keystone.
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Bild 6 von 10. 2003: Ein strahlender Christoph Blocher mit dem VR-Präsidenten der Ems-Gruppe, Dieter Klug, und seiner Tochter Magdalena Martullo-Blocher in Zürich. Fortan leitet sie als VR-Delegierte die Leitung des Unternehmens. Blocher übernahm den Chemiekonzern 1979, nachdem Gründer Werner Oswald überraschend verstarb. Bildquelle: Keystone.
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Bild 7 von 10. 2007: Vier Jahre später kommt für Christoph Blocher alles anders. Die Ratslinke jubelt, nachdem er als Bundesrat abgewählt worden ist. Des einen Leid ist des anderen Freud. Bildquelle: Keystone.
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Bild 8 von 10. 2007: Die künftige BDP-Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf nimmt ihre Wahl nach eintägiger Bedenkzeit an, Blocher scheidet am 31. Dezember aus dem dem Bundesrat aus. Es war erst das vierte Mal in der Geschichte der Schweiz, dass ein Bundesrat vom Parlament nicht wiedergewählt wurde. Bildquelle: Keystone.
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Bild 9 von 10. 2011: Bei den Parlamentswahlen bewirbt sich Christoph Blocher im Kanton Zürich sowohl um einen Sitz im Ständerat als auch für einen im Nationalrat. Blocher schafft es in den Nationalrat. Den Ständeratssitz verpasste er aber im ersten und zweiten Wahlgang an dritter Stelle. Bildquelle: Keystone .
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Bild 10 von 10. 2014: Christoph Blocher gibt am 9. Mai in der Sendung Teleblocher seinen Rücktritt aus dem Nationalrat per 31. Mai 2014 bekannt. Auf ihn folgt Thomas Matter. Bildquelle: Keystone .